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Inhalt Band II - Edocs

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Analyse<br />

Aus der Edda: Altnordisches Runenlied<br />

Einführung. Bei Carl Faulmann: Illustrierte<br />

Geschichte der Schrift (Augsburg 1990, Reprint<br />

der Ausgabe von 1880), S. 107-121, finden wir<br />

den Text des Runenliedes in der nachfolgend<br />

behandelten Form. Otto Zeller (Der Ursprung der<br />

Buchstabenschrift und das Runenalphabet, Osnabrück<br />

1977) bietet einen erheblich abweichenden<br />

Text (S. 191f.), den ich aus Mangel an Sprachkenntnissen<br />

nicht berücksichtige. Faulmann fügt<br />

zu jeder Strophe ohne Kommentar die Grimmsche<br />

Übersetzung hinzu. Zwar weicht sie erheblich<br />

von unserer Lösung ab, aber sie ist im Vergleich<br />

mit dem Original sehr nützlich zur<br />

Erkenntnis des Satzbaus und grammatischer Feinheiten.<br />

Faulmanns ausführlicher Kommentar zu<br />

dem Wortmaterial jeder Strophe ist auf den ersten<br />

(und auch den zweiten) Blick sehr ärgerlich, weil<br />

überquellend Assoziationen angehäuft werden,<br />

nur durch Kommas getrennt, oft ohne daß man<br />

das geistige <strong>Band</strong> erkennt. Der rote Faden scheint<br />

zu fehlen, besonders weil Faulmann fast nie eine<br />

eigene Übersetzung vorschlägt, die er doch bei<br />

der Fülle seiner Kenntnisse hätte liefern können.<br />

Er hat es offensichtlich nicht gewollt, hat wohl<br />

nur seinen Lesern das Material zur eigenen Weiterarbeit<br />

anbieten wollen. Und das mit verblüffender<br />

Vollständigkeit, für die ich ihm dankbar<br />

bin. Bei konsequenter Auswertung offenbart sich<br />

der geheime Hintersinn des Liedes (und damit der<br />

Runen!), den ich unter meiner Übersetzung angegeben<br />

habe. Wer den geistigen Schritt vom<br />

Wortkommentar zu meiner Übersetzung und<br />

Lösung beurteilen will, muß sich wohl mit<br />

Faulmanns Text beschäftigen. Meine »Anmerkungen«<br />

enthalten seine wesentlichen Hinweise,<br />

sind aber z.T. schon um eigene Ergänzungen<br />

erweitert.<br />

Jede Strophe erscheint hier als zwei Langzeilen,<br />

und zwar oft mit wiederkehrender Struktur:<br />

„A ist B, C ist D.“ In dieser Satzform (Prädikatsnomen<br />

bei »sein«) ergibt die Logik A=B & C=D.<br />

Bei der großen Parallelität im Satzbau und dem<br />

Zweck der Strophe (Illustration zur Rune) liegt<br />

auch nahe: A=C. Adjektive können hinzutreten<br />

oder besonders gern vorangestellte Genitivattribute,<br />

die ich nach Möglichkeit beibehalten<br />

habe. Statt »ist« erscheinen andere Verben, die<br />

dann ein Objekt hinter sich haben. Ortsangaben<br />

finden sich am Satzende. Dieses Grundgerüst ist<br />

wichtig, denn Faulmann assoziiert das Wortmaterial<br />

aus Wurzel oder Stamm des isländischen<br />

Wortes ohne Rücksicht auf die Wortarten<br />

(Verb/Nomen/Adjektiv), so daß man mit dem<br />

Blick auf Grimms Übersetzung oft die Wortart<br />

innerhalb der Familie dem Satzbau anpassen<br />

muß.<br />

Anvers und Abvers haben immer Endreim,<br />

außerdem sind die Wörter meist nach germanischer<br />

Art mit Stabreim verbunden. Es fällt aber<br />

auf, daß der Stab in der Strophe selten der Runenlaut<br />

ist, von dem die Strophe handelt, obwohl die<br />

isländische Sprache genug Synonyme mit dem<br />

»richtigen« Anlaut hat, wie Faulmann an zwei<br />

Beispielen beweist, und obwohl es im Losorakel<br />

mit Runenstäben um die Assoziation von stabenden<br />

Wörtern ging. „Man wird jedenfalls zu dem<br />

Schlusse kommen, dass sämmtliche Worte eines<br />

Verses auch mit denselben Anfangsbuchstaben<br />

vorkommen.“ Faulmann sieht darin die »Werkstätte<br />

der Sprachbildner«: „Es sind somit absichtlich<br />

anders lautende Wörter genommen worden,<br />

um durch diese Sprachbiegung die Sprache auszubilden<br />

und einen Reichthum an Ausdrücken zu<br />

erzeugen.“<br />

Wie dem auch sei, wir müssen das Problem<br />

der Reimbindung lösen, wenn wir eine eigene<br />

Version vorlegen. Die erste Arbeitsebene ist<br />

sicher eine möglichst genaue Wort-für-Wort-<br />

»Übersetzung«, die Faulmann gelegentlich liefert,<br />

z.B. bei Rune 13: „Jungfrau, [sein,] mannbar,<br />

schlank, Verwandte (Gezweig), Verführung,<br />

zubringen, Falschheit, Glück.“ Aus solchen Reihen<br />

entsteht manchmal eine syntaktisch richtige<br />

Übersetzung: „Jungfrau ist eine mannbare Verwandte,<br />

Verführung bringt Falschheit ins Glück.“<br />

Manchmal fehlt das Verb, oft auch der Sinn, meistens<br />

der Zusammenhang zwischen Anvers und<br />

Abvers. Solche möglichst wörtlichen Übersetzungen<br />

sind die von Grimm. Eine Ebene weiter<br />

entsteht eine »Übertragung«, die einen Zusammenhang<br />

innerhalb der Zeile erkennen läßt und<br />

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