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Inhalt Band II - Edocs

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spricht Rapunzel einmal von »heraufziehen«. Das<br />

ist nicht stimmig und ergonomisch schlecht vorstellbar.<br />

Man sieht den Änderungsgrund in der<br />

außerordentlich dummen Rede, mit der Rapunzel<br />

ihren Liebhaber verrät: „Frau Gotel, wie kommt<br />

es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen<br />

als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick<br />

bei mir.“ In der älteren Version fragt<br />

Rapunzel wegen der Kleiderchen, die nicht mehr<br />

passen wollen. Wir folgen an der Stelle dem<br />

besseren Urtext (s.u.).<br />

Der Königssohn will die Jungfrau (CoU) aus<br />

dem Turm (Vag-Ut) befreien. Dazu brauchen sie<br />

eine neue Art von Leiter und machen einen Plan:<br />

Der Prinz soll jeden Abend einen »Strang Seide«<br />

mitbringen, woraus Rapunzel eine Leiter flechten<br />

will. Der Plan fällt auf und wird nicht mehr ausgeführt.<br />

Was aber waren die Seidenstränge, die<br />

der Prinz abends daließ? Ein ‘Strang’ ist ein Bündel<br />

von Fasern oder Fäden, schweizerisch auch<br />

‘Strange’ im Sinne von ‘Strähne’ »Haarlocke«.<br />

Dabei denken wir an die ägyptische Mythologie<br />

mit dem »gelockten (gelochten) Priester«, den<br />

wir als Per mit der Spa-Locke gedeutet haben.<br />

*Engl. ‘strange’ ist »selt-sam« wie ahd. ‘seltsani’<br />

»kost-bar« (eßbar). *Wenn wir die Konsonanten<br />

kräftig schütteln, gewinnen wir aus ‘Stränge’<br />

»nGrätse«, also »Grütse« (Vokale sind frei wie<br />

im Hebräischen). ‘Grütze’ sind geschrotene Körner<br />

zur Herstellung breiartiger Speisen. *Nun<br />

verfahren wir mit ‘Seide’ genauso und machen<br />

daraus »Dose« im Sinne von Dosis (Dos). Auch<br />

die Assoziationen »Seidenraupe« (Cl: lat. ‘crista’)<br />

und »Kokon« (Injat) passen ins Bild. Unvermummt<br />

sind die Seidenstränge also Dos-Spa.<br />

Rapunzel wird als Mutter (VV) in die Wüste<br />

geschickt. Das ist CuCal, die »östliche Wüste«<br />

der ägyptischen Mythologie, ein ödes Sandreich,<br />

das von Schlangen (Pu) wimmelt. Die Wüste ist<br />

nur die »Haut des Jenseits«, denn die Wege von<br />

Rasetjau (so heißt die ägyptische Wüste) sind<br />

AUF dem Wasser (Lama). Die Märchenwüste ist<br />

ein Teil der größeren Einheit, die hier »Wald«<br />

(Pu) und »Elend« (Sil) heißt. Am letzten Abend<br />

ruft die Zauberin höhnisch: „Der Vogel sitzt nicht<br />

mehr im Nest“ (vgl. Rapunzel als ‘Vogerlsalat’).<br />

Der Prinz stürzt sich vom Turm (Vag-Ut). Zwar<br />

überlebt er, aber die Dornen zerstechen ihm die<br />

Augen (Urtext: „die beiden Augen hatte er sich<br />

ausgefallen“). Am Ende wird diese Blindheit<br />

durch Freudentränen rückgängig gemacht. Auch<br />

hier liegt ein Deutungsproblem. „Blindheit war ...<br />

ein übliches mythisches Symbol für die Kastration.“<br />

74 Die zwei Augen, die dem Prinzen verlorengehen,<br />

sind demnach Tss. Er müßte noch ein<br />

drittes Auge haben (vgl. »Dreiäuglein«), denn<br />

„der Penis wurde häufig »der kleine Blinde« oder<br />

»der einäugige Gott« genannt.“ 75 Als solcher irrt<br />

der Prinz durch die Welt, findet seinen Weg, hat<br />

aber keine Augen für die Schönheit anderer Frauen,<br />

bis er Rapunzel wiederfindet. Wir verstehen<br />

also den reversiblen Verlust der Augen in diesem<br />

Märchen metaphorisch als treue Liebe zu Rapunzel.]<br />

Text, Struktur und Kommentar<br />

(1: Rapunzelsalat.) Ein Mann (CoU) und<br />

eine Frau (PVC) wünschten sich lange vergeblich<br />

ein Kind (Cl). Endlich aber ward die Frau<br />

guter Hoffnung. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus<br />

(Vul als Unterhaus) ein kleines Fenster<br />

(Vamu), daraus konnte man in einen prächtigen<br />

Garten (VV) sehen. Der war von einer hohen<br />

Mauer (Lama) umgeben, und niemand (vulgo<br />

»kein Schwanz«) wagte hineinzugehen, weil er<br />

einer Zauberin (Ut) gehörte. Eines Tages stand<br />

die Frau an diesem Fenster (Vamu) und sah in<br />

den Garten (VV) hinab, da erblickte sie ein Beet<br />

(Lami) mit schönen Rapunzeln (Cl). Die sahen<br />

so frisch und grün aus, daß sie lüstern (libi) ward<br />

und von den Rapunzeln essen (konz) wollte. Das<br />

Verlangen (Libi) nahm jeden Tag zu, und die<br />

Frau magerte ab und wurde blaß und elend. Ihrem<br />

Mann sagte sie: „Wenn ich keine Rapunzeln aus<br />

dem Garten (VV) hinter (unter) unserem Hause<br />

(wG) zu essen kriege, so sterbe ich.“ Da wollte<br />

der Mann für seine liebe Frau die Rapunzeln<br />

holen und stieg in der Abenddämmerung über die<br />

Mauer (Lama), stach (‘punzte’!) in aller Eile eine<br />

Handvoll Rapunzeln (Cl wie Spargel) und brachte<br />

sie seiner Frau. Sie machte sogleich Salat daraus<br />

und aß (absor) ihn voller Begierde (Libi) auf. Am<br />

anderen Tag bekam sie noch mehr Lust (Ero),<br />

und der Mann mußte noch einmal in den Garten<br />

steigen. Da stand auf einmal die Zauberin (Ut)<br />

vor ihm, war zornig (tum) und wollte ihn bestrafen.<br />

Er bat um Gnade für Recht und entschuldigte<br />

sich mit der Schwangerschaft seiner Frau und wie<br />

gefährlich es sei, ihr etwas abzuschlagen. Da ließ<br />

der Zorn (Tum) der Zauberin nach, und sie<br />

erlaubte ihm, so viele Rapunzeln (Cl) zu<br />

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