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doch bei jedem Wort die eigentliche Bedeutung<br />
berücksichtigt (falls es die überhaupt gibt). Hier<br />
müßten die Wörter möglichst schon als impuristische<br />
Metaphern durchschaubar sein: „Birkenbögen<br />
sind läufig-grünste Leimruten, die Verlocker<br />
tragen fließenden Thymian.“ Die Umsetzung in<br />
den Plural ist wegen der Lösung (Lami) erforderlich.<br />
Der Satzbau unterstützt die Lösung: A =<br />
Adjektive + B; A > Verb (v.t.) + Objekt.<br />
Und nun zurück zum Problem der Reime. Eine<br />
angemessene Textnähe zu bewahren und dazu<br />
den Endreim und noch dazu Stabreime zu imitieren<br />
hat sich als unmöglich herausgestellt. Auf den<br />
Endreim habe ich deshalb immer verzichtet. Der<br />
Stabreim läßt sich relativ einfach nachahmen.<br />
Zum Beispiel enthält unsere Übertragung der<br />
Biarkan-Strophe die zwei B in »Birkenbögen«<br />
und dazu noch drei auf L stabende Stämme: läufig,<br />
Leimruten, Verlocker. Ich muß gestehen, daß<br />
mir der jeweilige Runenlaut als durchgehender<br />
Stab der Strophe lieber wäre, also in der Biarkan-<br />
Strophe ein möglichst häufiger B-Anlaut, auch<br />
als Ersatz für den fehlenden Endreim: „Birkenbögen<br />
sind bannig bähende Brunstbutten, Banfeige<br />
bringt brodelnden Balsam.“ Ein solches<br />
Unterfangen muß sich notgedrungen weit vom<br />
Text entfernen und führt zu einer ziemlich freien<br />
»Nachdichtung«. Und auch die gelingt nur,<br />
wenn es annehmbare Metaphern für die Lösung<br />
gibt, wie ich nun an der Thurs-Rune illustrieren<br />
möchte. Das erste Wort, das Merkwort, kann<br />
m.E. nur Thor oder Dorn sein, womit ein Stab auf<br />
T oder D verlangt wäre. Bornemann (»Sex im<br />
Volksmund«) versorgt uns mit Sexualmetaphern;<br />
in diesem Falle (für Klitoris) mit T am Anfang:<br />
Torturm und Türklingel, mit D: Damendegen und<br />
Däumchen. Ein Versuch mit D ergibt diese<br />
Lösung: „Dorn bedingt der Dosen Dehnen, drall<br />
verdickt der dämliche Däumling“. Solche Häufung<br />
klingt allerdings übertrieben, und so bin ich<br />
näher am Text geblieben (im Sinne einer Übertragung)<br />
und hatte auch dabei eine reiche Auswahl<br />
an Varianten, zunächst für „qvenna qvillu“:<br />
Dorn läßt die Schachteln (Schwestern, Schlote)<br />
schwellen; oder: läßt die Kammern (Katzen,<br />
Klemmen, Koffer, Kutschen, Kunnen, Kannen)<br />
quellen. Kutschen für Vag wäre eine gute Lösung<br />
(Vag ist im Tarot der Wagen), doch „quellende<br />
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Kutschen“ sind kein gutes Bild, deshalb entschied<br />
ich mich für „Kunnen quellen“, was sehr deutlich<br />
ist, aber nicht ganz so direkt klingt wie „Scheiden<br />
schwellen“ (‘Scheide’ wird von Faulmann<br />
geliefert!).<br />
Im Abvers wollte ich bei ‘Nebenbuhler’ bleiben,<br />
weil Faulmann da ganz deutlich ist und weil<br />
Cl tatsächlich ein Nebenbuhler ist, sozusagen der<br />
Dritte im Bunde (neben Per und PVC). Zu ihm<br />
gehört das Attribut ‘far af’ = ‘wenig offen’, also<br />
verborgen, was ja auch zutrifft. Gesucht wird<br />
dann ein Wort mit N am Anfang und mit der<br />
Bedeutung ‘verborgen’. Ich fand nur ‘nächtlich’<br />
und dachte dabei an Ingeborg Bachmanns Vers:<br />
„Und die Kompaßnadel steht auf Nacht“, womit<br />
Bachmann sagen will, daß Cl iR sich iVag versteckt.<br />
So kommen wir zu der akzeptablen<br />
Lösung ‘nächtlicher Nebenbuhler’. Löst man sich<br />
aber mutig weiter vom Text und bleibt doch beim<br />
Stab auf N (wie Nadel oder Nagel), dann kann<br />
man auch folgende Ausdrücke benutzen: neidische<br />
Natter, neurotische Nessel, niederträchtiger<br />
Nasenbär, nützlicher Nothelfer, nölende Nymphe,<br />
notorischer Narr. Der nächste Schritt wäre, den<br />
Nebenbuhler durch Synonyme zu ersetzen; ich<br />
kenne nur den Rivalen. Und wieder suchen wir<br />
passende Attribute, diesmal mit Stab auf R: retiriert<br />
(das wäre ‘verborgen’!), räudig, rüde, ruhmlos,<br />
ruchlos, reizbar, reitend, rektal und retardiert,<br />
woraus sich manche komische Kombination konstruieren<br />
läßt. Verzichtet man ganz auf den<br />
Nebenbuhler, dann bietet sich auch eine ‘rüstige<br />
Rute’ an, wobei ‘rüstig’ auf Cl als alten Mann<br />
hinweist. Ein Wort für ‘geil’ mit R wäre ‘rollig’<br />
oder ‘rossig’ oder das englische ‘rank’, insgesamt<br />
ergibt sich also z.B. „rollig wird der retardierte<br />
Rivale“, eine Nachdichtung, auf die ich dann<br />
doch verzichtet habe. — Bei diesen Beispielen<br />
von Nachdichtung will ich es belassen, um dem<br />
Leser nicht den Spaß zu verderben, wenn er die<br />
Technik auf eine andere Strophe anwendet.<br />
Die Zeichenfolge nach dem Weltbild der<br />
Windrose als Raumordnung (also inklusive der<br />
vierten Position in der ReAn mit Nats/As/Rect)<br />
würde an einigen Stellen zu anderen Lösungen<br />
führen. Solche sind nur in Klammern angedeutet.