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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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100 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Sigmund Freud hat uns erklärt, dass der kreative Mensch imstande ist,<br />

<strong>di</strong>e Verdrängung des Lustprinzips durch das Realitätsprinzip produktiv zu<br />

erzielen und <strong>di</strong>esen Mechanismus durch Sublimierung (Verschiebung auf ein<br />

anderes Objekt) für <strong>di</strong>e Kultur nutzbar zu machen.<br />

In <strong>di</strong>esem Sinn wirkt <strong>di</strong>e Erzählung Die Kränkung als Vorbild für <strong>di</strong>e<br />

(mögliche) Bewältigung einer bestimmten Lebenskrise und repräsentiert<br />

<strong>di</strong>e für Literatur und Kunst so exemplarische Wendung vom Persönlichen<br />

zum Kollektiven:<br />

»Es zeigt sich immer wieder, daß Autorinnen und Autoren in der<br />

Fiktion ihrer literarischen Figuren Persönlichkeitsanteile leben können,<br />

<strong>di</strong>e sie aufgrund äußerer Gegebenheiten im realen Leben entbehren<br />

müssen. Somit ergänzen sich autobiographischer und fiktionaler<br />

Text zu einem ganzheitlichen Lebenskonzept.« 86<br />

Und in <strong>di</strong>esen Konzepten kann sich der Leser/<strong>di</strong>e Leserin auch wiederfinden,<br />

indem das Wechselspiel zwischen Besonderem und Allgemeinem<br />

im Text reproduziert und in der einzelnen Existenz nacherlebt wird,<br />

indem man/frau sich dessen bewusst wird, dass Erfahrungen und Krisen,<br />

sowie deren Bewältigung und <strong>di</strong>e dazu notwen<strong>di</strong>gen Verarbeitungsweisen<br />

und Handlungen nicht höchst persönlich sind, 87 sondern zum Kollektiven<br />

gehören und dem Vergesellschaftungsprozess unterliegen, da <strong>di</strong>e Menschen<br />

ihr Leben gemeinschaftlich produzieren:<br />

»Es gibt nicht beliebig viele Möglichkeiten zu handeln, sondern nur<br />

eine begrenzte Anzahl. Es gibt eine Reihe von Notwen<strong>di</strong>gkeiten –<br />

gesellschaftlichen Zwängen, Grenzen der Natur, es gibt <strong>di</strong>e Notwen<strong>di</strong>gkeit<br />

des Überlebens in der Ökonomie und historisch-kulturelle<br />

Gegebenheiten. Die Menschen produzieren ihr Leben gemeinschaftlich.<br />

In <strong>di</strong>esem Feld sind <strong>di</strong>e Erfahrungen, welche <strong>di</strong>e einzelnen machen,<br />

möglich. Daß sie möglich sind, heißt dabei zugleich, daß sie<br />

verallgemeinerbar sind, daß <strong>di</strong>e „persönliche Weise“ eine Weise der<br />

allgemein möglichen Aneignung ist.« 88<br />

Krisen bewältigen. In: Ursula Nuber (Hrsg.), Bin ich denn verrückt?! Was Psychotherapie für Frauen<br />

leistet – und was nicht, Zürich: Kreuz-Verlag, 1994, S. 102 ff.<br />

86 Rosemarie Lederer, Grenzgänger Ich, S. 23 ff.<br />

87 Vgl. dazu Rosemarie Lederers Grenzgänger Ich. Dem Buch verdanke ich auch den<br />

Hinweis auf <strong>di</strong>e Erinnerungsarbeit als sozialwissenschaftliche Methode, <strong>di</strong>e von Frigga<br />

Haug entwickelt worden ist: Frigga Haug, Erinnerungsarbeit, Hamburg 1990, und <strong>di</strong>eselbe,<br />

Sexualisierung der Körper, Argument Sonderband AS 90, Hamburg 1983.<br />

88 Frigga Haug, Sexualisierung der Körper (1983), S. 18.

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