Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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182 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
auf kein Verständnis hoffen kann. Schon durch <strong>di</strong>ese Erkenntnis, durch<br />
<strong>di</strong>e Bezeichnung „Schöpfung“ würde sie als Sünderin bezeichnet, da der<br />
Bibel nach nur Gott der einzige Auctor seiner Geschöpfe ist, im körperlichen<br />
Sinn. In seinem Band Einritzungen auf der Pyramide des Mykerinos erinnert<br />
Friedbert Aspetsberger daran, dass der Mensch, als Gleichnis Gottes<br />
geschaffen (nach der Luther-Übersetzung), einem Sanktionsmechanismus<br />
unterliegt:<br />
»Das „Gleichnis“ sollte sein Geschöpf bleiben und (ihn) nicht erkennen,<br />
wohl in jenem auch schöpferisch-geschlechtlichen Sinn, den das<br />
Wort „erkennen“ in der Bibelübersetzung hat, nämlich „beiwohnen“,<br />
„beischlafen“. Gott wollte sich sein Gleichnis vom Leib halten bzw.<br />
als nicht-leiblich in unserem Sinn gelten. Die Fruchtnutzung am<br />
Baum der Erkenntnis wurde untersagt.« 57<br />
Obwohl in der Bibel das Fleisch <strong>di</strong>e Erkenntnisform ist, hat <strong>di</strong>e männliche<br />
Sprache, <strong>di</strong>e Sprache des Logos, <strong>di</strong>e Trennung von Geist und Materie<br />
als Ziel verfolgt und <strong>di</strong>e Beziehung des Menschen zum Körper zumindest<br />
in der Schrift, in der symbolischen Ordnung der Abstraktion sozusagen<br />
negiert und sanktioniert.<br />
In der analysierten Erzählung wird <strong>di</strong>e Sprache des Logos „entlarvt“,<br />
indem sie ironisch in den Mund Wilhelmines gelegt wird, <strong>di</strong>e gleich am<br />
Anfang den Bauch der Schwangeren als „In<strong>di</strong>z“ für <strong>di</strong>e Tatsache verachtet,<br />
dass Berta nicht mehr Jungfrau ist, deswegen sei sie der Kette mit der<br />
Blechmadonna „unwür<strong>di</strong>g“. Berta dagegen ist sich des hohen Wertes ihrer<br />
Mütterlichkeit bewusst und reagiert in der Form der Hysterie, der „Frauenkrankheit“<br />
auf <strong>di</strong>e Enteignung des Mutterrechts, bis zu der extremen Folge des<br />
Medea-Werdens.<br />
»Medea ist das mythische Abbild dessen, was <strong>di</strong>e Symptome der Hysterie<br />
ausdrücken: <strong>di</strong>e Auflehnung gegen <strong>di</strong>e Enteignung der Mutterschaft.«<br />
58<br />
Ich beziehe mich hier explizit auf <strong>di</strong>e Analyse Christina von Brauns im<br />
Abschnitt Die hysterische Mutter: nach <strong>di</strong>eser Interpretation drücken <strong>di</strong>e<br />
Symptome der Krankheit (Schlaflosigkeit, Verstummen, Schwindelgefühl,<br />
57 Friedbert Aspetsberger, Einritzungen auf der Pyramide des Mykerinos. Zum Geschlecht[in]<br />
der Literatur, Wien: Sonderzahl Verlagsgesellschaft, 1997, S. 18.<br />
58 Christina von Braun, Nicht ich: Logik, Lüge, Libido (1994), S. 252 ff.