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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 189<br />

So unternimmt sie eine Reise nach Süden, um eine neue Lebensform zu<br />

finden, nicht nur für sich selbst als Frau sondern auch für ihren Sohn, der<br />

Probleme mit den Grundschullehrerinnen hat. Aber <strong>di</strong>e von Marianne<br />

Fritz inszenierte Tragö<strong>di</strong>e der armen Berta stellt sozusagen <strong>di</strong>e verkehrte<br />

Welt dar, wenn wir sie zum Beispiel mit dem Thema des Textes von Birgit<br />

Vanderbeke vergleichen wollen, wo <strong>di</strong>e Protagonistin über <strong>di</strong>e notwen<strong>di</strong>gen<br />

soziokulturellen Ressourcen verfügt, um sich der eigenen Angst<br />

rechtzeitig bewusst zu werden und auf das Unbehagen konsequent reagieren<br />

zu können.<br />

»Weggehen, bevor das Leben verwartet ist«: das tut Berta nicht, weil sie<br />

einfach gefangen ist in einem erstickenden Kerker aus Worten und Gesten<br />

und es ihr unmöglich erscheint, aus <strong>di</strong>esem Sumpf herauszufliehen. Ihre<br />

aktuelle Gegenfigur ist nämlich selbstsicher und entschlossen, da ihr das<br />

wenige Geld erlaubt, sich eine neue Existenz zu schaffen: sie ist berufstätig,<br />

obwohl nicht fest angestellt. Selbstbewusst hat sie sich für den Freiberuf<br />

entschieden, und folglich kann sie über ihre Zeit und ihre Existenz frei<br />

verfügen – sie schreibt kleine Features über Kunst für den Rundfunk –<br />

„Klee für Kinder“, „Miró für Kinder“, usw. Selbst der Redakteur, der sie<br />

mit <strong>di</strong>esen Sendungen beauftragt, also ein „männlicher Brotgeber“ weiß, er<br />

laufe stän<strong>di</strong>g Gefahr, „eingespart zu werden“, aber <strong>di</strong>ese Vorläufigkeit<br />

wirkt nicht so beängstigend und gefährlich, weil sie ein Zug der postmodernen<br />

Gesellschaft, der so genannten New Economy ist, wo Kreativität<br />

und Freizeit, <strong>di</strong>e ja notwen<strong>di</strong>g ist, um kreativ arbeiten zu können, <strong>di</strong>e<br />

höchsten Werte bedeuten.<br />

Was ist am wichtigsten auf <strong>di</strong>eser Welt? Sich frei entwickeln, Leute<br />

kennen lernen, <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Hand geben und sich informieren, wie es in der<br />

Schule geht, Menschen <strong>di</strong>e zum Aperitif einladen und gerne herzlichen<br />

Kontakt mit anderen, sogar mit Fremden haben, <strong>di</strong>e ebenfalls unter wenig<br />

günstigen Umständen leben (alle kaufen im Supermarkt ein, und zwar<br />

wenn es Sonderangebote gibt), aber auch lächeln können, dennoch Freude<br />

empfinden und das erfreut einen/eine und ermuntert zum Weiterleben. Sogar<br />

das Kind kann seine Sozialisationsprobleme ganz leicht bewältigen:<br />

»Zwei Kinder winkten von weitem, kamen heran, sagten, salut Nico,<br />

gaben uns <strong>di</strong>e Hand und halfen uns beim Zusammensuchen der<br />

Hefte und Stifte und Malsachen und Turnschuhe, und nach einer<br />

Weile fand ich, es klang ganz normal, daß das Kind Nico hieß und<br />

andere Kinder ihm <strong>di</strong>e Hand gaben, obwohl ich es noch nie erlebt<br />

hatte, daß sich Kinder <strong>di</strong>e Hand geben.« (Ich sehe, S. 81)

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