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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marlene Streeruwitz: Eine Poetik des Suchens 201<br />

unsere Aussage zu übernehmen, <strong>di</strong>e Anerkennung unserer Urteilsfähigkeit<br />

zu verlangen[...].«<br />

Das würde auch <strong>di</strong>e Neigung zum Schreiben erklären, als eine Möglichkeit,<br />

auf Distanz zu gehen, sich aus der Welt herauszuhalten:<br />

»[...] sich der Schrift zu be<strong>di</strong>enen, der blinden Magd mit ihren ungeschickten<br />

und suchenden Bewegungen, ist eine Möglichkeit, sich gegen<br />

den großen Meister, den Logos und seine Macht aufzulehnen.« 29<br />

Dieses Gefühl des Verbundenseins mit der Schrift würde aber zur gleichen<br />

Zeit auch <strong>di</strong>e eigene Fremdheit der Sprache gegenüber signalisieren,<br />

weil <strong>di</strong>e Sprache, <strong>di</strong>e herrscht, <strong>di</strong>e als „wissenschaftlich“ gilt, ja männlich<br />

gekennzeichnet ist, indem sie Eindeutigkeit zeigt und dem konsequenten<br />

Logos gehorcht, und <strong>di</strong>e Schrift kann weiblich wirken – wie W. Tommasi<br />

auch bemerkt –, als Trost, als Kompensation, als Abhilfe für das schwache Wort,<br />

als „Symptom der Fremdheit und des Unbehagens“, als In<strong>di</strong>z der Abwesenheit<br />

des Weiblichen von der Sprache.<br />

Was mich persönlich betrifft, muss ich zugeben, dass <strong>di</strong>eses Unbehagen<br />

gegenüber den perfekt formulierten Theorien, den glatt und glänzend<br />

geschliffenen Begriffen und deren fein, akkurat ausgearbeiteten Anwendungen<br />

mich sehr beeindruckt hat, während des Entwurfes <strong>di</strong>eser Untersuchung.<br />

Entscheidend für <strong>di</strong>e Niederschrift selbst war aber <strong>di</strong>e Neugier, zu untersuchen,<br />

inwieweit Realität und Schrift, Worte und Leben miteinander<br />

spielen und sich gegenseitig beeinflussen können. Wichtig war <strong>di</strong>e Lektüre<br />

einiger Bücher der feministischen Literaturwissenschaft und des Bandes<br />

von Rosemarie Lederer (1998), <strong>di</strong>e ja auch bemerkt, wie sehr <strong>di</strong>e österreichische<br />

Literatur der Gegenwart <strong>di</strong>e Möglichkeit einer Wechselwirkung<br />

zwischen Text und Lektüre bietet. 30<br />

Zweitens wird in ihren Analysen auch <strong>di</strong>e Feststellung betont, dass<br />

Autorinnen und Autoren in ihren literarischen Figuren Persönlichkeitsanteile<br />

reproduzieren (<strong>di</strong>e sie »aufgrund äußerer Gegebenheiten im realen<br />

Leben entbehren müssen«), <strong>di</strong>e später Leser und Leserinnen wiederfinden<br />

können:<br />

29 Wanda Tommasi, Die Versuchung des Neutrums. In: Diotima, Philosophinnengruppe<br />

aus Verona, Der Mensch ist zwei. Das Denken der Geschlechter<strong>di</strong>fferenz, Wien: Wiener Frauenverlag,<br />

1993, S. 117.<br />

30 Vgl. dazu Rosemarie Lederer und ihr Werk Grenzgänger Ich (1998).

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