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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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222 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

In der dritten Folge findet Lisa endlich den Mut (und das Geld!), und<br />

entscheidet, ihre Umwelt (Ort plus Beruf plus Hoffnungen) zu verlassen.<br />

Sie wagt sogar, nach Amerika zu fliegen, nachdem <strong>di</strong>e Mutter gestorben<br />

ist. Nun scheint jede Bindung an <strong>di</strong>e Vergangenheit unwiderruflich aufgelöst<br />

zu sein. Für ihre Reise kauft sie nur eine kleine Reisetasche: sie will<br />

so wenig wie möglich mitbringen, um zu versuchen, sich eine neue Lebenschance<br />

zu schenken.<br />

»Lisa warf alles weg, was sich an sinnlosem Zeug in den Jahren in G.<br />

angesammelt hatte.« (L. L., 3. Folge, S. 6)<br />

Symbolisch zerschneidet sie an <strong>di</strong>eser Stelle Blusen und Hemden zu Putzfetzen,<br />

sorgfältig wischt sie alle Fächer aus und leert <strong>di</strong>e Laden, gründlich<br />

räumt sie <strong>di</strong>e Wohnung auf. Nichts soll übrigbleiben, was zu ihrer alten<br />

Identität gehört hatte. An eine mögliche Rückkehr denkt sie immerhin: sie<br />

lässt <strong>di</strong>e Wasserhähne ein bisschen tropfen, um einen Wasserrohrbruch<br />

wegen der Kälte zu vermeiden.<br />

In New York angelangt, denkt sie darüber nach, ob sie ihre Existenz<br />

anders hätte gestalten können: was wäre passiert, wenn sie zum Beispiel<br />

weiterstu<strong>di</strong>ert hätte? Hätte das <strong>Stu<strong>di</strong></strong>um ihr verholfen, alles zu verändern?<br />

Hätte sie dann vielleicht einen interessanten Mann kennen gelernt?<br />

»Sie fragt sich, ob das Leben dann anders geworden wäre. Wäre es<br />

vielleicht sogar einfacher gewesen? Lisa ißt noch einen Apfelkuchen<br />

mit Vanilleeis.« (L. L., 3. Folge, S. 11)<br />

In ihrer Verwirrung taucht <strong>di</strong>e Erinnerung an einen Tiroler wieder auf,<br />

der vielleicht der richtige „Mann“ für sie gewesen war, aber <strong>di</strong>e Beziehung<br />

hatte nicht funktioniert, wohl auch wegen der sexuellen Hemmung, <strong>di</strong>e sie<br />

infolge der streng repressiven Erziehung bekam? Im Innersten weiß sie<br />

aber, dass es ihr unmöglich gewesen wäre, eine „normale“ Ehe zu spielen,<br />

nur um <strong>di</strong>e Einsamkeit zu vermeiden.<br />

Aber Lisa ist sich dessen bewusst, wie schrecklich auch <strong>di</strong>e Einsamkeit<br />

an der Seite eines Mannes sein kann, „das Gefühl des Verlorenseins“, das<br />

sie neben dem Tiroler empfunden hatte:<br />

»Wäre das eine Grundlage für eine Ehe gewesen, auf einen Mann<br />

immer wütender zu werden, je länger er anwesend war?« (L. L., 3.<br />

Folge, S. 18-19)<br />

Damals hatte sie den Mut gefunden, den Jungen auf einem Ball einfach<br />

stehen zu lassen: für <strong>di</strong>esen Mut hat sie wahrscheinlich auch später be-

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