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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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176 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

ausgeschult worden, und das kann ihr das Leben nicht mehr wegnehmen. Auf<br />

dem blauen Briefkuvert, das <strong>di</strong>e schulische Mitteilung enthalten hatte,<br />

steht <strong>di</strong>e Anerkennung des Scheiterns als Selbstschuld für immer eingeschrieben:<br />

»Ich habe meine mißlungene Schöpfung beendet. Deine Dich liebende<br />

Berta.« (S.V., S. 87)<br />

3.7. Die Verneinung der Leben<strong>di</strong>gkeit. Oder: In der Festung ist ein Bannspruch<br />

zu sprechen<br />

»Seit 1958 beschränkte Berta ihre Zweifel- und Grübelsucht auf<br />

Wilhelm allein. Die Festungsordnung hatte nichts dagegen einzuwenden,<br />

sie förderte vielmehr Bertas Nachdenken über Wilhelm mit<br />

einer schier grenzenlosen Großzügigkeit.« (S.V., S. 30)<br />

Die Festung, in der Berta nach der Vollendung der Tragö<strong>di</strong>e vegetiert,<br />

erlaubt ihr, weiterzuzweifeln, weiterzugrübeln, da sie jetzt keinen Anspruch<br />

mehr auf Leben erheben kann/darf.<br />

Die alte Frau, <strong>di</strong>e sich um Berta „kümmert“, das weise Mütterchen repräsentiert<br />

<strong>di</strong>e vom Logos „gezähmte“ Weiblichkeit, eine Mütterlichkeit, <strong>di</strong>e<br />

sich den Gesetzen der Gemeinschaft, der Ordnung und ihren strengen<br />

Regeln angepasst hat und zur furchtbaren Resignation erzieht.<br />

» ›Du sollst bedenken, liebe Berta. Bedenken sollst du. Das Leben ist<br />

eine Wunde, und <strong>di</strong>ese Wunde heilt so schwer.‹ « (S.V., S. 33)<br />

Die Alte wirkt also unermüdlich im Dienste der Festungsordnung, mit<br />

den Worten und der Mimik (»den Blick starr auf <strong>di</strong>e vergitterten Fenster<br />

gerichtet«, »den Blick starr auf den Käfig gerichtet«),indem sie <strong>di</strong>e sensible,<br />

zitternde Kicher-Berta von den übriggebliebenen Spuren der Körperlichkeit<br />

befreien will.<br />

»Das weise Mütterchen beobachtete Wilhelm und Berta unentwegt<br />

aus den Augenwinkeln heraus. [...] Seit dem heimtückischen Einfall<br />

der Wunde Leben in das Reich des weisen Mütterchens waren kaum<br />

zehn Minuten verstrichen.« (S.V., S. 32-33)<br />

Das Triebhaft-Sinnliche wird endgültig verurteilt und gebannt, indem<br />

<strong>di</strong>e Perspektive der Alten auf der Erzählebene reproduziert wird: das wird<br />

fast unmerklich innerhalb eines moralisierenden Diskurses zum Ausdruck<br />

gebracht, und der Leser/<strong>di</strong>e Leserin kann <strong>di</strong>eses Lexem „entdecken“ als<br />

Signal der Verachtung und der heuchlerischen, vielleicht nei<strong>di</strong>schen Ver-

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