Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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252 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
Aber im Grunde hat <strong>di</strong>e Mutterschaft sie als Person verwirklicht, <strong>di</strong>e<br />
sinnliche Erfahrung beim Berühren des kleinen Körpers (»Dieser kleine<br />
Körper. Diese Winzigkeit. Halten. Tragen.«) hat ihr Sinn und Liebe geschenkt:<br />
»Aber das war nicht richtig. Sie hatte sie gewollt. Sie hatte sie wirklich<br />
gewollt. Und wie sie dann da gewesen. Dieser kleine Körper. [...] Und<br />
<strong>di</strong>e Friedl war es ja wirklich nicht gewesen, <strong>di</strong>e sie geknechtet. Die<br />
Friedl hatte ihr erst beigebracht, was Liebe ist. Eigentlich. Von einem<br />
<strong>di</strong>eser Männer war das nicht zu haben gewesen.« (Nachwelt., S. 117)<br />
Wie <strong>di</strong>e anderen Frauen, hat Manon selbst schmerzhafte Erfahrungen<br />
überwinden müssen, jetzt ist sie aber weise genug. Wenn Margarethe darauf<br />
besteht, <strong>di</strong>e Liebe sei schließlich <strong>di</strong>e einzige Möglichkeit, einander <strong>di</strong>e Existenz<br />
zu verzeihen, bemerkt <strong>di</strong>e alte Manon dazu:<br />
»Wichtig seien andere Dinge. Das hätte ihr das Leben beigebracht.<br />
Und sie hatte immer gelitten. In der Liebe. Habe immer bezahlen<br />
müssen für <strong>di</strong>eses Glück.« (S. 379)<br />
In den Zweifeln Margarethes an der Möglichkeit, ein Leben durch eine<br />
subjektive Betrachtensweise objektiv zu beschreiben, spiegelt sich <strong>di</strong>e Position<br />
der Autorin wider, der Wille, jede Art Lüge vermeiden zu wollen:<br />
»Nicht umsonst ist Biographie ein so erfolgreiches Metier, weil es<br />
eben Lüge ist, und Lüge bekanntlich besser im Marketing funktioniert<br />
als alles, was sich einer Wahrheit annähert.« 109<br />
Die Autorin scheut deswegen jede Art tröstende oder verschönernde<br />
Manipulation, obwohl <strong>di</strong>e Lesenden – von der Tra<strong>di</strong>tion her – darauf<br />
vorbereitet sein sollten, auf Kriege, <strong>di</strong>e so genannten „literatischen Invasionen“,<br />
denn:<br />
»Es gibt ja auch eine Art Krieg gegen den Leser und <strong>di</strong>e Leserin, der<br />
mit höchst sentimentalen Waffen immer noch durchaus erfolgreich<br />
durchgeführt wird.« 110<br />
Es geht also um ein fragiles Gleichgewicht, das zwischen dem Subjektiven<br />
und dem Objektiven zu halten ist, damit das Wort des Einzelnen nicht<br />
isoliert bleibt:<br />
109 So Marlene Streeruwitz in Ziß/Kultur. Die Aussage ist zitiert in: Neue Kronen Zeitung,<br />
Wien 19. 9. 2000, o.S.<br />
110 Marlene Streeruwitz, Können. Mögen. Dürfen. Sollen. Wollen. Müssen. Lassen, S. 54-55.