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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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226 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Durch das kollektive und in<strong>di</strong>viduelle Wort stellt der Mensch <strong>di</strong>e eigene<br />

Würde wieder her, indem er/sie endlich imstande wird, <strong>di</strong>e verdrängten<br />

Erinnerungen sprachlich aus dem Unterbewussten herauszureißen und<br />

Widerstand gegen <strong>di</strong>e auf ihn/sie kollektiv und/oder in<strong>di</strong>viduell ausgeübte<br />

(in der sprachlichen Form sowohl physische als auch psychische) Gewalt<br />

zu leisten:<br />

»Kollektiv und in<strong>di</strong>viduell ist Würde auf <strong>di</strong>e Möglichkeit des Erinnerns<br />

angewiesen, in der jenes Zentrum der Sinnzusammenhänge<br />

konstituiert werden kann, das, ein eigenes Geheimnis begründend,<br />

<strong>di</strong>e Auslieferung an das sprachlich gepflanzte Geheimnis des einen<br />

Vaters aufheben kann.« 73<br />

In ihrem im Juni 2000 im Musilhaus gehaltenen Vortrag hat Marlene<br />

Streeruwitz ein persönliches Kindheitstrauma „ausgegraben“, und damit<br />

bewiesen, wie nach ihrer persönlichen Erfahrung der weibliche Körper<br />

sich besonders verletzbar, zerstörbar erwies, und wie konsequent Denken<br />

und Fühlen <strong>di</strong>eser Verletzbarkeit unterworfen wurden:<br />

»Ich lernte damals <strong>di</strong>e erste Lektion über <strong>di</strong>e Erpressbarkeit des Geistes<br />

durch <strong>di</strong>e Hinfälligkeit des Körpers. Meine Ausbildung in <strong>di</strong>esem<br />

Entfremdungsunternehmen wurde in den darauf folgenden Jahren<br />

auf Heftigste verschärft.«<br />

Deshalb, aufgrund <strong>di</strong>eser Behauptungen, anhand der zitierten Lektüren<br />

und anhand der Realität, und dank des Gesprächs, das mir <strong>di</strong>e Autorin<br />

gewährt hat, 74 habe ich den Roman Lisa’s Liebe. sicher nicht als reine Paro<strong>di</strong>e<br />

der weiblichen Träume, der weiblichen Sehnsucht nach der Felicità, als<br />

Verspottung des weiblichen Begehrens, weder als Travestie des Kolportageromans,<br />

noch als „feministisches Furioso“ 75 lesen wollen. Der Roman,<br />

73 Marlene Streeruwitz, Können. Mögen. Dürfen. Sollen. Wollen. Müssen. Lassen., S. 124.<br />

74 Marlene Streeruwitz, Wien 28. Juli 2000. Mein Dank gilt der Autorin für das unveröffentlichte<br />

Gespräch, das mir geholfen hat, zumindest <strong>di</strong>ese Lektüre aus den vielen<br />

Fragmenten des Lesens und des Erlebens zu re-konstruieren.<br />

75 Vgl. den Artikel von Ingeborg Sperl, „Enttäuschte Erwartungen. Rekonstruktion<br />

des Vaters, Abschied von der Mutter und Suche nach der eigenen Identität“. In: Der Standard,<br />

Wien 26. 9. 1997, Beil., S. 9. Sperl weist auf <strong>di</strong>e Richtung der von mir entwickelten<br />

Interpretation hin, indem sie schreibt: »Streeruwitz schafft es, sämtliche Erwartungen<br />

eiskalt zu enttäuschen. Lisa’s Liebe. ist kein feministisches Furioso und auch keine Paro<strong>di</strong>e<br />

auf Kolportageromane. Wie alle Menschen ist <strong>di</strong>e unauffällige Lisa ganz einfach auf der<br />

Suche nach den großen Gefühlen, und wie <strong>di</strong>e Allermeisten ist sie ihnen nicht begegnet.<br />

Vielleicht bei den Niagara-Fällen, in der Fortsetzung.«

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