Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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Nachwort 259<br />
»Die Sehnsucht nach Erfüllung, nach dem großen, dem einen Ereignis,<br />
kaschiert zwei wichtige Erkenntnisse: Erstens, daß das Leben<br />
endlich ist und immer gegenwärtig erlebt wird. [...] Und zweitens:<br />
Glück ist ebenso nur gegenwärtig zu erleben und in der Aufeinanderfolge<br />
solcher Momente episch.« 9<br />
Um den Sinn zu verletzen und das Symbolische zu zersetzen, sind drei<br />
Vorgänge möglich: <strong>di</strong>e Verschiebung und Ver<strong>di</strong>chtung, <strong>di</strong>e auf der Textebene<br />
als Metonymie und Metapher (<strong>di</strong>e Festung für den Logos in Marianne<br />
Fritz’ Erzählung als eklatantes Beispiel beider) erscheinen, in denen<br />
sich das Verdrängte kundtut; und dann ein dritter Vorgang: der Übergang<br />
von einem Zeichensystem zu einem anderen.<br />
»Hinzu kommt <strong>di</strong>e Transformation der thetischen Setzung: <strong>di</strong>e Zerstörung<br />
der früheren und <strong>di</strong>e Bildung einer neuen. [...] Der Terminus<br />
Intertextualität bezeichnet eine solche Transposition eines Zeichensystems<br />
(oder mehrerer) in ein anderes [...].« 10<br />
Als solcher Übergang kann zum Beispiel der Roman Lisa’s Liebe. interpretiert<br />
werden, indem <strong>di</strong>e Collage von Textpassagen, Bildern und Zeitungsausschnitten<br />
auf eine Transposition abzielt, <strong>di</strong>e einen neuen, vielfältigen,<br />
mehrdeutigen Sinn produzieren will.<br />
»Kristeva versteht <strong>di</strong>e Praxis des Textes somit als Reproduktion von<br />
ökonomischen und sozialen Machtverhältnissen, auch als Reproduktion<br />
seiner Gattung, gleichzeitig aber als Produktion neuer Praktiken,<br />
wodurch <strong>di</strong>e Identifikation mit gegebenen Machtverhältnissen zerstört<br />
wird.« 11<br />
Besonders interessant kommt mir – in Bezug auf <strong>di</strong>e gelesenen Autorinnen<br />
– <strong>di</strong>e produktive Kraft, <strong>di</strong>e realitätsmo<strong>di</strong>fizierende Energie vor, <strong>di</strong>e das<br />
Semiotische im Text entstehen lässt und <strong>di</strong>e dem Unbewussten angehört.<br />
Neues hervorbringen, dank der Revolution der poetischen Sprache, bedeutet<br />
für Kristeva<br />
»[...] weder <strong>di</strong>e Wiederholung des patriarchalen Diskurses noch Regression<br />
zur archaischen Mutter. [...] Ist in unseren Gesellschaften <strong>di</strong>e<br />
Herrschaft das männlich Ko<strong>di</strong>erte, so <strong>di</strong>e Logik, <strong>di</strong>e Syntax, so sind<br />
9 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen.,S. 21 f.<br />
10 Julia Kristeva, Die Revolution der poetischen Sprache. Aus dem Französischen übersetzt<br />
und mit einer Einleitung versehen von Reinold Werner, S. 69, Frankfurt./M.: Suhrkamp<br />
Verlag, 1978. Vgl. dazu H. Appelt, Die leibhaftige Literatur (1989), S. 242.<br />
11 Hedwig Appelt (1989), S. 243.