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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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152 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Ich nehme wohl richtig an, daß <strong>di</strong>e Handwerker gerne einmal unter<br />

sich sein mögen und auf einen Pfuscher vorübergehend verzichten<br />

können.‹ « (S.V., S. 59)<br />

Die Tatsache, dass das Wort „Pfuscher“ von den anderen (<strong>di</strong>e „in ein<br />

helles Gelächter“ ausbrechen) eher als Selbstbestrafung und nicht so sehr<br />

in Bezug auf Rudolf verstanden wird, zumindest in der Rezeption der anderen<br />

Figuren, wird durch <strong>di</strong>e Worte Fer<strong>di</strong>nand Wolfs komisch-tragisch<br />

bestätigt. Während Wilhelm gutmütig auf Bertas Schulter klopft, sagt sein<br />

Kollege:<br />

» ›Ein wirklich einnehmend bescheidenes Geschöpf.‹ « (S.V., S. 59)<br />

Dazu soll Wilhelmine ihren Ausruf wiederholen: »Berta! Du Unglücksrabe!«,<br />

indem sie auch durch <strong>di</strong>e Mimik (wie sie zum Beispiel <strong>di</strong>e Hände<br />

über dem Kopf zusammenschlägt oder erbarmungslos auf <strong>di</strong>e von Klein-<br />

Rudolf wegen seines Unbehagens verursachte Lache weist) den Vorwurf<br />

und den Tadel unheimlich ausdehnt.<br />

Am schrecklichsten enthüllt sich aber <strong>di</strong>ese Strategie der verbalen Vernichtung<br />

am Ende der Geschichte und der Erzählung: da versichert Wilhelmine<br />

der in der Festung eingesperrten Berta, dass das Leben „da draußen“<br />

zu ihr gar nicht passe. Auf <strong>di</strong>ese Weise bestätigt sie ein für allemal <strong>di</strong>e<br />

erlernte Passivität und Verwirrung Bertas:<br />

» ›[...] Du warst ja immer ein bißchen ein Unglücksrabe. Schon als<br />

Kind. Gelt? Das hat sich jetzt endlich aufgehört. Du hast es <strong>di</strong>r<br />

schon ver<strong>di</strong>ent. [...]‹ « (S.V., S. 101)<br />

Selbst Bertas Nachwuchs, als „arme Hascherln“, „so richtige Krepierln“<br />

endgültig verurteilt, muss an <strong>di</strong>eser grundsätzlichen Verachtungsmethode<br />

zugrunde gehen, denn es war schon alles „gesagt“: das Schicksal<br />

war schon im Diskurs der Umwelt enthalten, also „rechtzeitig“ programmiert:<br />

» ›[...] Und deine Kinder habens jetzt beim Herrgott droben auch<br />

besser. Sie waren ja eh so arme Hascherln, so richtige Krepierln. Es<br />

wär wahrscheinlich aus ihnen eh nichts Rechtes geworden. [...]‹ «<br />

(S.V., S. 101)<br />

Wer ist an <strong>di</strong>esem Schicksal doppelt schul<strong>di</strong>g? Nicht nur <strong>di</strong>e Mutter, <strong>di</strong>e<br />

ihre geliebten Kinder getötet hat: Sie hat nur das ausgeführt, was ihr von<br />

einer so verständnisunfähigen Gesellschaft aufgebürdet worden ist, indem<br />

sie letztendlich für das sozial mitbestimmte Unglück der Kinder verant-

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