Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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198 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
Die existentielle Notwen<strong>di</strong>gkeit ihrer Poetik entspringt aus einer schrecklichen,<br />
schmerzhaft realen Realität, <strong>di</strong>e als Wunde nicht zu heilen ist, sondern anzusagen.<br />
Aber wie, wie ist das Schweigen, der Abgrund des Unsagbaren zu<br />
zeigen?<br />
»Immer, wenn mich <strong>di</strong>e Nachricht erreicht, jemand habe sich selbst<br />
umgebracht, immer. [...]Immer denke ich dann wieder an <strong>di</strong>e Kluft.<br />
An <strong>di</strong>ese in den schrecklichen Stunden tatsächlich greifbare Kluft<br />
zwischen dem zu Sagenden und zu Fragenden und dem Sagbaren.« 20<br />
Es geht darum – künstlich und existentiell, existentiell und künstlich –<br />
<strong>di</strong>e grundsätzlichen Zusammenhänge der Realität zu entlarven, das Unsagbare<br />
auszudrücken, deshalb hat sich <strong>di</strong>e Autorin für Kunstmittel entschieden,<br />
<strong>di</strong>e ungewöhnlich, entfremdend wirken:<br />
»[...] wie Stille, Pause, dem Punkt als Würgemal und dem Zitat als<br />
Fluchtmittel gefunden, um damit dem Unsagbaren zur Erscheinung<br />
zu verhelfen. Und das Unsagbare zumindest in ein Beschreibbares zu<br />
zwingen. Die bedeutungsbildenden Möglichkeiten der Leere auszuschöpfen.«<br />
21<br />
Diese Bedeutungsmöglichkeiten kann und darf der Leser/<strong>di</strong>e Leserin<br />
wiederentdecken, denn literarisches Schreiben und Lesen sind »Forschungsreisen<br />
ins Verborgene. Verhüllte.« 22 , sie sollen als „Sprachen“ verstanden<br />
werden, <strong>di</strong>e »das Sprechen der Selbstbefragung möglich machen.<br />
Und sie so zur Erscheinung bringen.« Dazu ist kein auf Totalität abzielendes<br />
Lesen notwen<strong>di</strong>g: sehr <strong>di</strong>rekt beschreibt Marlene Streeruwitz <strong>di</strong>e Momente<br />
des Begreifens, wenn innerhalb einer bestimmten Konfiguration<br />
eine Stelle, ein Satz, ein Wort dem lesenden Subjekt plötzlich einfallen, es<br />
beeindrucken:<br />
»Für einen Augenblick wird so <strong>di</strong>e Einsamkeit [...] aufgehoben. Und<br />
zumindest <strong>di</strong>e tröstliche Erkenntnis wird möglich, nicht allein zu<br />
sein. Daß ein anderer oder eine andere ein Gemeinsames wüßten.<br />
Das sind Augenblicke, <strong>di</strong>e ich auf allen Ebenen von Literatur gefunden<br />
habe. Wenn auch öfter in ihrer Negativversion.« 23<br />
20 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 48.<br />
21 Ebenda.<br />
22 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 9.<br />
23 Marlene Streeruwitz, ebenda.