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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 185<br />

verstimmt. Ich kann sie nicht stimmen, und du hast keinen Musiklehrer,<br />

der sie <strong>di</strong>r stimmen kann. Laß das.« (S.V., S. 95-96)<br />

c) Wiederholung umfangreicher Textteile, <strong>di</strong>e leitmotivisch wiederkehren:<br />

dabei wird »Information nicht nur ein einziges Mal transponiert, sondern<br />

wird zum sich wiederholenden ästhetischen Phänomen.«<br />

d) Lexikalische Selektion, wodurch sich <strong>di</strong>e innere Vielsprachigkeit<br />

konstituiert.<br />

Wie Bettina Rabelhofer in Bezug auf den Roman bemerkt, ist <strong>di</strong>e<br />

Kommunikationssituation der Sprechenden sicher nicht mit jener der<br />

Autorin selbst identisch. Sie weist vielmehr auf einen komplexen Entscheidungsprozess<br />

hin:<br />

»Durch <strong>di</strong>e Eingliederung ‚fremder‘ Elemente aus einem anderen<br />

Register, einem anderen Sozio- oder Dialekt in den Text schöpft<br />

Fritz (pragma)semantisches Potential auf vielen Sprachebenen bestmöglich<br />

aus.« 62<br />

Obwohl der Wortschatz der ersten Erzählung von Marianne Fritz<br />

grundsätzlich aus dem Gebrauchsvokabular alltagssprachlicher Interaktion<br />

(eines bestimmten sozio-historischen Umfeldes) besteht, kann auch zu<br />

<strong>di</strong>esem Text bemerkt werden, dass öfter „Poesie-Signale“ auftauchen, <strong>di</strong>e<br />

einen ironischen Kontrast bilden durch <strong>di</strong>e stilistische Vielfalt, <strong>di</strong>e den<br />

Roman bestimmt.<br />

Die Erzählung bezeugt <strong>di</strong>e Bemühung der „Namenlosen“, sich und den<br />

eigenen Kindern ein höheres Sprachniveau anzueignen. Die arme Berta<br />

versucht zu verhindern, dass der Knabe Rudolf umgangssprachliche<br />

Redensarten verwendet: <strong>di</strong>e verbale Form „purzlt“ anstatt des üblichen<br />

Partizips „geboren“, aus dem Verb „purzeln“ (fallen, hinfallen, stürzen,<br />

besonders von Kindern). Nach der etymologischen Herkunft (‹spätmhd.<br />

„burzeln“) erinnert das Verb den Lesenden an eine Definition von Rudolf,<br />

Klein-Rudolfs Vater. Der Geliebte Bertas behauptet in Bezug auf <strong>di</strong>e mit<br />

dem Mädchen verbrachte Liebesnacht, es schien ihm „mit einem Bürzel“<br />

geschlafen zu haben.<br />

Wenn Berta ihren Kindern von der Oma erzählt, benutzt sie <strong>di</strong>e adverbiale<br />

Formel „justament grad“, <strong>di</strong>e aus der ungewöhnlichen Verbindung<br />

von zwei Teilen besteht, welche „gerade“, „genau“ bedeuten: der<br />

62 Bettina Rabelhofer, So es geraunt rundumihn: der ästhetische Code in Marianne Fritz’ Roman<br />

„Dessen Sprache du nicht verstehst“. Versuch einer semiotischen Poetik, Erlangen: Palm und<br />

Enke, 1991, S. 37-38.

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