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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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256 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

winkeln betrachtet und beschrieben werden können. Sicher nicht beurteilt,<br />

weil das Verb „beurteilen“ schon „Urteile aussprechen“ bedeutet.<br />

Lesen heißt <strong>di</strong>e Isolierung und das Schweigen von Berta Schrei zu<br />

vermeiden, Lesen heißt, Seelengeschwister aus jedem Zeitalter und aus jedem<br />

Ort zu finden, Lesen heißt, wie Margarethe im Roman Nachwelt. andere<br />

Leute ausfragen zu können.<br />

»Schlimmere Schicksale ausgraben, um das eigene ertragen zu können.<br />

Es auch nicht anders machen als <strong>di</strong>e. Auch nur abgrenzen.« 3<br />

Liebhaberinnen, Mütter, Lehrerinnen, Hausfrauen, Dichterinnen aus<br />

verschiedenen Zeiten und moderne, emanzipierte Ghostwriterinnen: wie<br />

viele Frauenfiguren sind in den Texten <strong>di</strong>eser Schriftstellerinnen zu treffen.<br />

Sehr unterschiedlich sind <strong>di</strong>e drei Autorinnen, sie gehören verschiedenen<br />

sozio-kulturellen Positionen an und jede hat sich entschieden, sich der<br />

Schrift zu widmen auf eigene Art und Weise, infolge einer eigenen<br />

Motivation, immer aber mit einer hervorragender Sensibilität für <strong>di</strong>e Sprache<br />

und mit einer Arbeit an und mit und in der Sprache.<br />

Gerade aufgrund der „hohen In<strong>di</strong>vidualisierung“, der wir ausgesetzt<br />

sind, aufgrund des Mangels an einem „menschlichen“ Netz von Verbindungen,<br />

Beziehungen, Freundschaften (obwohl man/frau uns wiederholt,<br />

dass sich alle im „globalen“, aber auch eher auf dem Schein als auf dem<br />

Sein beruhenden Netz im Internet bequem bewegen können), erweisen<br />

sich <strong>di</strong>e intersubjektiven Diskurse als immer notwen<strong>di</strong>ger, und eine solche<br />

Beziehung kann (auch innerhalb der virtuellen Realität) das Verhältnis<br />

Autor/Autorin-Leser/Leserin sein.<br />

Alle Autorinnen sind Trägerinnen eines Weiblichen, das nicht unbe<strong>di</strong>ngt,<br />

nicht notwen<strong>di</strong>g von ihrem Geschlecht abhängt, sondern eher von<br />

der <strong>di</strong>alogischen Offenheit für den Anderen. In Marianne Fritz’ Erzählung,<br />

aber auch in den Texten der beiden anderen Schrifstellerinnen ist<br />

gerade <strong>di</strong>e Aufmerksamkeit für <strong>di</strong>e Mehrstimmigkeit, <strong>di</strong>e Achtung der<br />

Diskurse der anderen als textuelles Merkmal, als Heteroglossie festzustellen. 4<br />

3 Marlene Streeruwitz, Nachwelt., S. 96. – Was <strong>di</strong>e Neigung zum unerbittlichen Urteilen<br />

betrifft, hat Christoph Wilhelm Aigner in seinem Text Engel der Dichtung bemerkt: Ȇber<br />

etwas sprechen heißt urteilen. Es wäre kein Nachteil, öfter zu bedenken, dass jedes Urteil<br />

eine Wertung und jede Wertung ein Vorurteil beinhaltet.« S. 43.<br />

4 Zum Begriff „Heteroglossie“ vgl. den Artikel im Band Metzler Lexikon Literatur- und<br />

Kulturtheorie (1998), S. 211 f. – Vgl. dazu Michail Michailovič Bachtin, Formen der Zeit im

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