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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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212 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

»Sie wollen sich selbst finden, sich entdecken, sich identifizieren.« 54<br />

Es fällt der Frau sicher schwer, das Gefühl des Selbstbewusstseins zu<br />

entwickeln, das aller<strong>di</strong>ngs notwen<strong>di</strong>g ist auf dem Wege zur Selbstverwirklichung,<br />

auch als Be<strong>di</strong>ngung, um <strong>di</strong>e Liebe zum Anderen reifen zu lassen:<br />

»Ihr fehlt vor allem <strong>di</strong>e Fähigkeit, <strong>di</strong>eses Haus, das sie ist, um sich selbst zu<br />

schließen.« 55<br />

Exemplarisch wird zu <strong>di</strong>esem Punkt <strong>di</strong>e Geschichte Lisa Liebichs erzählt,<br />

<strong>di</strong>e ihre Ziele immer außen sucht, indem sie sich einfach leben lässt,<br />

weil sie nicht imstande ist, den innersten Kern ihrer Identität zu stabilisieren.<br />

Und <strong>di</strong>e Gemeinschaft hilft ihr sicher nicht dabei: erst das Verständnis<br />

der (weiblichen) Mitmenschen, <strong>di</strong>e Solidarität, „<strong>di</strong>e Liebe untereinander“,<br />

<strong>di</strong>e Gesellschaft „unter sich“ würde den Frauen ermöglichen, gemeinsam<br />

neue Sitten, eine neue „sittliche Ordnung“, <strong>di</strong>e Be<strong>di</strong>ngungen ihres<br />

Handelns zu realisieren. 56<br />

»Lisa war sicher, niemand würde ihr helfen, weil alle <strong>di</strong>e Geschichten<br />

aus M. kannten. Lisa war sicher, alle in G. wüßten alles über sie.«<br />

(L.L., 1. Folge, S. 32)<br />

Lisa hat keine Freun<strong>di</strong>nnen, nur „Kolleginnen“, Lisa hat keine Schwester,<br />

<strong>di</strong>e Direktorin zeigt sich hart und verständnislos: Lisa ist nämlich<br />

Volksschullehrerin und hat nur wenige Kontakte zu anderen Frauen. Im<br />

Grunde übt sie auch einen Beruf aus, den sie eigentlich nicht mag, der sie<br />

nicht „erfüllen“ kann:<br />

»Lisa war Lehrerin. Lisa war Lehrerin wegen der Ferien geworden.<br />

Lisa hatte gedacht, in den Ferien etwas für sich tun zu können. [...]<br />

Die Schule würde sie überstehen und vielleicht sogar mögen.« (L. L.,<br />

1. Folge, S. 4)<br />

Sie kann sich nicht behaupten, sie kann sich den Forderungen der anderen<br />

nicht widersetzen: sie fährt auf einen Feldweg, um den Liebhaber<br />

heimlich und blitzschnell zu treffen, sie lässt sich einfach als Sexualobjekt<br />

von verheirateten Männern ausbeuten, <strong>di</strong>e nie richtig Zeit für sie haben;<br />

trotzdem findet sie nicht <strong>di</strong>e Kraft, nein zu sagen, erst äußere Gescheh-<br />

54 Ebenda.<br />

55 Luce Irigaray (1991), S. 80.<br />

56 Luce Irigaray (1991), S. 129.

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