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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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136 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

tauchte, haben sie nicht erörtert, sondern gemacht.« 7<br />

Das gilt auch für Marianne Fritz, <strong>di</strong>e für <strong>di</strong>e eigene Kreativität ein Programm<br />

weder aufgestellt noch verkündet hat, sondern schreibt, um normale<br />

Leuten, <strong>di</strong>e Namenlosen, sprechen zu lassen und sie aus dem Schweigen<br />

herauszulösen. Ihre Einsamkeit, ihre unbeirrbare Entschlossenheit beim<br />

Weiterschreiben an monumentalen Werken sind öfter kritisiert worden:<br />

aber wer hat das Recht, <strong>di</strong>e Lebensentscheidung einer Frau zu kritisieren,<br />

<strong>di</strong>e sich „opfert“, um in ihren Werken das Leben widerspiegeln zu lassen?<br />

Möglicherweise gedeiht <strong>di</strong>e Skepsis gerade aufgrund der Weiblichkeit der<br />

Autorin weiter. Diese Hypothese ist sicher kein Gemeinplatz: Frauen<br />

müssen auch heutzutage noch ihre Interessen irgendwie rechtfertigen,<br />

dauernd beweisen, dass sie es ernst meinen.<br />

Aber viele wissen auch nicht, wie schwierig es für eine Frau immerhin<br />

ist, auch nur „ein Zimmer für sich allein“ zu finden, nach der bekannten<br />

Formulierung von Virginia Woolf.<br />

Zum gründlicheren Verständnis des literarischen Textes ist es eigentlich<br />

notwen<strong>di</strong>g, dass <strong>di</strong>e Literaturwissenschaft der spezifischen Lebenssituation<br />

von Frauen als Subjekten und als Objekten der Wissenschaft selbst<br />

gerecht wird. Es handelt sich dabei um <strong>di</strong>e konkreten und soziokulturellen<br />

Verhältnisse, <strong>di</strong>e es einem/einer überhaupt erlauben, kreativ zu sein. Dazu<br />

merkt Konstanze Fliedl im zitierten Nachwort an:<br />

»Aber Virginia Woolf war es auch, <strong>di</strong>e ein für allemal formuliert hat,<br />

daß in der kulturellen Tra<strong>di</strong>tion für <strong>di</strong>e Kreativität schlicht kein Platz<br />

war. Es hat Generationen von Frauen bereits immense Energie gekostet,<br />

sich auch nur <strong>di</strong>e primitivsten Voraussetzungen für das<br />

Schreiben zu verschaffen. So ging es noch den Autorinnen der fünfziger<br />

und sechziger Jahre – und sie haben das wütend oder sarkastisch<br />

kommentiert.« 8<br />

Wie eng ist <strong>di</strong>e Verbindung zwischen Autorin und Protagonistin, inwieweit<br />

spiegelt sich das Autobiographische der Marianne Fritz in den<br />

belastenden Verhältnissen der Berta Schrei wider?<br />

7 Konstanze Fliedl (1995), S. 228.<br />

8 Konstanze Fliedl (1995), S. 228. – Zur Notwen<strong>di</strong>gkeit einer geschlechtsneutralen<br />

Literaturwissenschaft, <strong>di</strong>e spezifische Lebenssituationen von Frauen als Subjekt und<br />

Objekt der Wissenschaft selbst untersucht, vgl. <strong>di</strong>e Arbeit von Doris Wölke, Der männliche<br />

Blick in der Literaturwissenschaft, Essen: Die Blaue Eule, 1990.

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