Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

72 Das Leben in den Worten ~ die Worte im Leben
»Was könnte Max mit Regine Großes gemeinsam haben? Mit dieser
Frau ohne Philosophie. Vorurteile hat sie, Vorurteile – die Philosophie
des kleinen Geistes.« (BR, S. 21)
Und gerade aus Mangel an Vertrauen und vor allem an Verständnis
scheitert auch die körperliche Liebe:
»Regines Körper ist aufgeladen mit Energien, die mir den Kopf zum
Platzen bringen. Wenn sie mich aber berührt, geschieht dies mit einer
Gleichgültigkeit und Abwesenheit, die mich ganz auslöschen.« (BR,
S. 22)
Der Dialog, der das Unverständnis zeigt, auf das die beiden stoßen,
betrifft auch das Schreiben, zumindest den Versuch der Ehefrau, sich der
gemeinsamen Wochenendreise zu entziehen: sie habe nämlich die bestellten
Bücher für ihr Studium endlich bekommen und solle eine Proseminararbeit
schreiben.
» ›Aber das Semester hat ja erst angefangen ‹, erwidert der Mann, umsonst:
sie habe einen früheren Referattermin, und draußen würde sie zu
nichts kommen.« (BR, S. 30). Die Unmöglichkeit oder die Unfähigkeit,
dem anderen die eigenen Gründe für ein bestimmtes Verhalten zu erklären,
werden durch das Verb „Versteinern“ ausgedrückt: das Auslöschen
der Gefühle, das Aussterben der Leidenschaft, das leere Vorwürfe-Machen:
»[...] dieses Versteinern, wenn ich höre, wie sie mich mißverstehen
will. Man hat sich einmal verliebt in sie, und gleich drauf, das dauerte
so kurz, kannte man einander schon viel zu gut. Oder gar nicht. Zu
gut oder gar nicht. Ich weiß es nicht.« (BR, S. 31)
Während sein Kollege Herbig sich rasche Abenteuer gönnt, könnte
Brandstetter nicht so oberflächlich eine andere Beziehung eingehen, wo
Frauen wie Objekte behandelt bzw. missbraucht werden bzw. sich als solche
behandeln lassen, und dann ist alles sofort »Allerhand gehätschelt,
entwertet, zerpflückt.« (BR, S. 37).
Der elliptische Satz reproduziert mit den drei Partizipien die logische
und temporale Struktur dieser Abenteuer mit mitverantwortlichen Mädchen,
diesen »flink zugreifenden, wenn einer kommt mit grauem Anzug«,
aber eine solche Erfahrung würde ihm seinen Mangel, seinen Schmerz
nicht lindern:
»Auflehnung, böser Schrei gegen die Genügsamen, spürbar naht das
Ende der Selbstzensur.« (BR, S. 37)