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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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220 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

nung der Lust hier und jetzt sofort. Körper-Ausdehnung, <strong>di</strong>e versucht,<br />

sich Exteriorität zu geben, sich der Exteriorität hinzugeben [...].« 65<br />

Ist Lisa an ihrem Warten schul<strong>di</strong>g? In welchem Maß ist unsere Umwelt<br />

entscheidend, um unser Siegen oder Verlieren am Leben zu bestimmen? Sicher<br />

muss auch <strong>di</strong>ese literarische Figur „<strong>di</strong>e Schwerkraft der Verhältnisse“<br />

auf ihre Weise erleben.<br />

Das Auffälligste in ihrem Lebenslauf ist <strong>di</strong>e lange Reihe der so genannten<br />

„Liebhaber“: es sind alle Männer, <strong>di</strong>e sich außerhalb ihrer (unglücklichen<br />

Ehen) nur Erotik ohne Liebe vorstellen können. Diese Trennung,<br />

<strong>di</strong>e nach der Erklärung Luce Irigarays meist mit der Teilung und<br />

Hierarchisierung der elterlichen Funktionen verbunden sei (im Hinblick<br />

auf <strong>di</strong>e Kindheitserfahrungen), reduziert das Begehren auf eine „technokratische<br />

Sexualität“, <strong>di</strong>e – immer auf der Suche nach neuen Objekten und<br />

Methoden – schließlich im Überdruss endet:<br />

»Es darf keine Trennung von Liebe und Erotik geben. [...] Die Liebe wird<br />

dadurch zur fortwährenden Tragö<strong>di</strong>e, zur tristen Barmherzigkeit<br />

oder zur fordernden Aufopferung [...].« 66<br />

Die Erfahrungen Lisas mit den Männern weisen eben <strong>di</strong>ese triste<br />

Barmherzigkeit auf: mitschul<strong>di</strong>g ist Lisa, <strong>di</strong>e passiv das mit sich geschehen<br />

lässt, mitschul<strong>di</strong>g sind <strong>di</strong>e Männer, <strong>di</strong>e nicht imstande sind, in der Frau<br />

eine gleichwertige Partnerin zu sehen. Das entspricht der kollektiven<br />

Mentalität, <strong>di</strong>e eben durch <strong>di</strong>e Ironie der erzählerischen Instanz denunziert<br />

wird, welche <strong>di</strong>e ethische Misere des Kontextes entlarvt, zum Beispiel<br />

wenn Lisa sich bemüht, trotz der Knieverletzung mit der Arbeit wieder<br />

anzufangen, als „braves Mädchen“, um »[...] sich beliebt zu machen«. 67<br />

Statt belohnt zu werden, bekommt sie aller<strong>di</strong>ngs nur Kritik zu hören, was<br />

sie selbstverständlich verwirrt:<br />

»Lisa hörte, wie einer der Kollegen murmelte, daß es <strong>di</strong>ese unverheirateten<br />

Frauen seien, <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Optik so verzögen. Und daß sich so etwas<br />

auf alle auswirke.« (L. L., 2. Folge, S. 43)<br />

65 Ebenda.<br />

66 Luce Irigaray, Ethik der sexuellen Differenz (1991), S. 82.<br />

67 Das „Sich-beliebt-machen“ als weibliche Grundstruktur, der jungen Frau schon in<br />

der präö<strong>di</strong>palen Phase beigebracht, wird von Rosemarie Lederer im gleichnamigen Abschnitt<br />

(S. 109 ff.) erläutert in Bezug auf ein erhellendes Zitat von Christa Wolf:<br />

»Grundmuster werden früh eingeritzt. Zum Beispiel <strong>di</strong>e Erfahrung, daß man sich beliebt<br />

machen muß, um geliebt zu werden.«

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