07.10.2013 Aufrufe

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3. Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze<br />

3.1. »Schlage mir <strong>di</strong>e Worte nicht tot, indem du sie verwendest NUR als<br />

Worte«: Interpretieren ist Erfahren<br />

»Wer liest, liest nicht nur <strong>di</strong>e in Worteinheiten gefassten Buchstaben,<br />

sondern liest sein Leben mit, selbstverständlich auch das, das ihm<br />

nicht ausdrücklich vor Augen steht. Er setzt <strong>di</strong>e Buchstabenschriften<br />

um, wie Musiker <strong>di</strong>e Noten einer Komposition.« 1<br />

Was kann der/<strong>di</strong>e LeserIn lesen, wenn er/sie entscheidet, einen Text<br />

wie Die Schwerkraft der Verhältnisse von der mysteriösen Autorin Marianne<br />

Fritz in eine Interpretation umzusetzen? Das gilt besonders für eine Erzählung,<br />

<strong>di</strong>e von „normalen“, „banalen“ Leuten berichtet, nach einer bestimmten<br />

schriftstellerischen Methode, <strong>di</strong>e das Paradoxe explizit formuliert:<br />

»Sich über etwas wundern, was jeder weiß.«<br />

Geboren am 14. 12. 1948 in Weiz (Steiermark), wohnt Marianne Fritz<br />

seit mehreren Jahrzehnten in Wien in selbsterwählter Abgeschiedenheit:<br />

sie spielt keine Rolle in der Öffentlichkeit, es gibt sehr wenige Fotos von<br />

ihr, über ihre poetologische Konzeption wissen wir wenig, etwas mehr<br />

über ihre Lebenspraxis:<br />

»Seit Jahren schreibt sie unermüdlich an ihrem Werk. Interviews gibt<br />

sie keine, und ihre Wohnung verlässt sie nur selten, um in ihrem<br />

Schreibprozess nicht gestört zu werden.« 2<br />

1 Christoph Wilhelm Aigner, Engel der Dichtung, S. 149. – Was <strong>di</strong>e beiden Zitate von<br />

Marianne Fritz betrifft, vgl. erstens den Artikel von Paul Jandl „Mythos – aus dem<br />

Nichts. Neues über Marianne Fritz“, der in der Warnung »Schlage mir <strong>di</strong>e Worte nicht<br />

tot, indem du sie verwendest NUR als Worte« ein Prinzip ihres Schreibens erkennt. In:<br />

Neue Zürcher Zeitung, Zürich 22. 6. 1995, S. 36. Und zweitens <strong>di</strong>e Rezension „Medea in<br />

Donaublau“ (anonym), in der <strong>di</strong>e von der Autorin verwendete schriftstellerische Methode<br />

(»Sich über etwas wundern, was jeder weiß«) erwähnt wird. In: Profil, Wien 17. 10. 1978,<br />

Nr. 42, S. 59. – Die Erzählung Die Schwerkraft der Verhältnisse wird im Folgenden mit S.V.<br />

und Seitenzahl zitiert.<br />

2 Ulrich Horn, „Gegen <strong>di</strong>e glatten Alltagsätze“. In: Kölner Stadt Anzeiger, 28. 12. 1985.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!