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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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194 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

möglich zu einer neuen Sichtweise und zur Veränderung ihres Selbstbildes<br />

gelangen können.<br />

Die Autorin hat <strong>di</strong>esen Prozess des aktiven Lesens am Beispiel von<br />

Friederike Mayröcker exemplifiziert:<br />

»Mayröcker lesen. Da werden <strong>di</strong>e Lesenden beteiligt an der authentischen<br />

Selbstschöpfung einer Person in Sprache zur Befreiung in<br />

<strong>di</strong>ese. Befreit in eine ganz besondere eigene Freiheit [...]. Die Freiheit<br />

wird immer <strong>di</strong>e eigene. Auch <strong>di</strong>e der Lesenden. Im Mitkonstruieren<br />

des Kunstwerks wird jeder auch wieder auf sich selbst und <strong>di</strong>e eigene<br />

Sprache verwiesen. Bleibt so bei sich. Und befreit ------------.« 7<br />

Auch <strong>di</strong>e KritikerInnen aber sollten <strong>di</strong>ese Wege mitverfolgen, <strong>di</strong>ese<br />

Vermittlungsfunktion der Kunst respektieren und auch mithelfen, als Lesende,<br />

<strong>di</strong>e vielleicht anderer Meinung sind, aber sicher nicht – wie es üblich<br />

ist – als „Wächter“ irgendeiner Weltanschauung, irgendeines Modells<br />

der Welterklärung, grausam, „männlich“ dazu bereit, »an Wegkreuzungen<br />

zu stehen und zu schauen, wie schnell kommt sie an, stolpert sie dabei<br />

oder hat sie einen Schuh verloren.« 8<br />

Die Diagnose für <strong>di</strong>ese Neigung der Kritik, sich zum Kampfe zu rüsten<br />

(»Das sind Kriegsmythen«, fügt Streeruwitz hinzu!) nimmt ethische Konturen<br />

an, da sie ein epochales Problem betrifft, wie schon Luce Irigaray in<br />

ihren Vorlesungen erkannt hatte:<br />

»Da <strong>di</strong>e Wissenschaft eine der letzten, wenn nicht <strong>di</strong>e letzte Form des<br />

absoluten Wissens ist, drängt es sich auf – aus ethischer Sicht –, sie<br />

mit dem Problem der Nicht-Neutralität des angeblich universellen<br />

Subjekts zu konfrontieren; des vorgeblich universellen Subjekts, das<br />

ihre Theorie und Praxis betreibt.« 9<br />

Wie Irigaray ausführlich erklärt, folgt <strong>di</strong>e Wissenschaft bestimmten<br />

Modalitäten, <strong>di</strong>e darauf abzielen, ein ideales oder ideelles Modell (unabhängig<br />

von der Physis und der Psyche des Produzenten, durch ein Spiel von Induktion<br />

und Deduktion, immer durch rein gedankliche Arbeit) zu konstruieren,<br />

dessen Allgemeingültigkeit zu beweisen und durch von mindestens<br />

zwei Subjekten abgesicherte Untersuchungsprotokolle zu untermauern,<br />

um schließlich zu beweisen, dass <strong>di</strong>e jeweilige Entdeckung effizient, produk-<br />

7 Marlene Streeruwitz, Friederike Mayröcker. In: Und. Sonst. Noch. Aber. Texte. 1989-<br />

1996, S. 62.<br />

8 Marlene Streeruwitz im Gespräch mit Clau<strong>di</strong>a Kramatschek (1998), S. 17.<br />

9 Luce Irigaray, Ethik der sexuellen Differenz (1991), S. 143 ff.

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