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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 157<br />

Das <strong>di</strong>chte Netz <strong>di</strong>eser Ausdrücke bildet eine Vorrichtung zur Abwehr<br />

gegen <strong>di</strong>e Gefahren der Umwelt, gegen <strong>di</strong>e übertriebenen Erfordernisse<br />

seines Brotgebers, gegen das Unbehagen Bertas und später gegen <strong>di</strong>e unaufhörlichen<br />

Ehe<strong>di</strong>spute mit Wilhelmine.<br />

»Sein Weib, <strong>di</strong>e resolute Wilhelmine, fühlte sich stets verantwortlich<br />

für den letzten Beitrag zum Ehe<strong>di</strong>sput, da sie auf alles <strong>di</strong>e unerläßliche<br />

Antwort wußte, <strong>di</strong>e den Gesprächspartner Wilhelm widerlegte.«<br />

(S. V., S. 10)<br />

Erst entscheidende Ereignisse oder unakzeptables Benehmen können<br />

ihn aus <strong>di</strong>esem Netz vorläufig verhelfen:<br />

»Da wurde Wilhelm zum Manne; alle Zweifel- und Grübelsucht war<br />

von ihm abgefallen; er hielt Wilhelmine am Ärmel fest und sagte:<br />

›Das kommt nicht in Frage. Das duld ich nicht.‹ « (S.V., S. 19)<br />

Im Allgemeinen aber begnügt er sich, den Behauptungen seines Weibes<br />

nicht zu widersprechen: beim Disputieren beschränkt er sich absichtlich<br />

„auf <strong>di</strong>e Rolle des Verlierers“ und bemüht sich, besonders „gleichmütig<br />

und sanftgestimmt“ zu wirken, was auch sein Äußeres bestimmt, in der<br />

vorfingierten „friedlichen Bescheidenheit“ (S.V., S. 10), <strong>di</strong>e zu einer provisorischen<br />

Ruhe beitragen soll, aber ihm sicher kein Eheglück schenken<br />

kann. Dazu <strong>di</strong>enen auch <strong>di</strong>e Kosenamen, <strong>di</strong>e er mit Rekurs auf eine emphatische<br />

Aufzählung anwendet, um <strong>di</strong>e Maskulinität seines Weibs zu beschwören,<br />

Kosenamen, <strong>di</strong>e für den Leser/<strong>di</strong>e Leserin in Anbetracht der<br />

Umstände, also im Rahmen des textuellen Umfelds, etwas komisch klingen<br />

und <strong>di</strong>e Ironie der erzählerischen Instanz (durch <strong>di</strong>e Präsenz des Ausrufezeichens<br />

markiert) auch realisieren:<br />

» ›Mein Goldmäderl! Mein tüchtiges Wilmerl [...] Bei allen Heiligen<br />

(!), mein Tauberl, mein Ehrenwort als Chauffeur. [...] Erfüllen will ich<br />

all deine Wünsche, eh du sie ausgesprochen hast. Du herziges<br />

Wilmerl, du fleißiges Bienderl, du über alle Zweifel erhabene Geliebte!<br />

[...]‹ « (S.V., S. 14)<br />

Der Leser/<strong>di</strong>e Leserin weiß aber, dass Wilhelm umsonst versucht, sich<br />

selbst zu täuschen: er wird nie glücklich sein, wie Wilhelmine bei seinem<br />

Unbehagen „in<strong>di</strong>rekt“ prophezeit:<br />

» ›[...] Wart nur, bis der Regen kommt, dann fühlst du <strong>di</strong>ch gleich<br />

besser. Mußt doch nicht gleich jedesmal sterben‹.« (S.V., S. 24)<br />

Im Unbewussten Wilhelms wirkt das Verb erhellend und orakelhaft:

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