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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Evelyn Schlag: Die Sehnsucht nach dem Gespräch 93<br />

Mit keinem anderen Gegenüber könnte sie über so intime Dinge, über<br />

das Geheimnis des Schreibens reden:<br />

»Du bist <strong>di</strong>e einzige, der ich erzählen kann, wie alles wirklich ist. –<br />

Wie alles wirklich war, verbessert sie mich.« (Ebd.)<br />

Mit der Figur Kathleens fühlt sich <strong>di</strong>e Ich-Erzählerin auch durch <strong>di</strong>e<br />

Sorge um <strong>di</strong>e eigene literarische Arbeit verbunden, <strong>di</strong>e Angst, dass ihr<br />

Werk ungeschrieben bleibt:<br />

»Darauf kommt es an. Wie unerträglich wäre es, zu sterben – und nur<br />

‚Bruchstücke‘, ‚Fetzen‘ zu hinterlassen ... nichts wirklich Fertiges.« 76<br />

Die kreative Tätigkeit des Schreibens erfüllt also vom ersten Moment<br />

an das tiefe Kommunikationsbedürfnis, das stän<strong>di</strong>g <strong>di</strong>e Notwen<strong>di</strong>gkeit mit<br />

sich bringt, über <strong>di</strong>e Entstehung des eigenen Schaffens nachzudenken.<br />

Dieses Reflektieren wird zum Beispiel in den Ge<strong>di</strong>chten Nach New York<br />

und Handwerkszeug thematisiert, und was ihre Dichtung betrifft, so hat <strong>di</strong>e<br />

Autorin auch erklärt:<br />

»Was ich in den Ge<strong>di</strong>chten sagte, hätte ich anders nicht sagen können.<br />

Ge<strong>di</strong>chte sind immer ein Gang zum Verstummen hin. Verlier so<br />

wenig Worte wie möglich, aber sag alles, ehe es zu spät ist.» Im<br />

Hintergrund leuchtet <strong>di</strong>e Sehnsucht nach menschlicher Kommunikation,<br />

<strong>di</strong>e immer wieder auftaucht. Auf eine Frage (und zwar in Bezug<br />

auf <strong>di</strong>e Möglichkeit, dass Verstän<strong>di</strong>gung zwischen den Partnern ohne<br />

Worte verläuft), antwortete <strong>di</strong>e Autorin: »Es ist <strong>di</strong>e höchste Form der<br />

Sehnsucht nach menschlicher Kommunikation. Diese Sehnsucht zu<br />

beschreiben finde ich ungeheuer aufregend.« 77<br />

Ein unerreichbarer Mann in <strong>di</strong>eser Erzählung ist, wie schon bemerkt,<br />

<strong>di</strong>e Figur Jack, der immer abwesender und unverständlicher wird, indem er<br />

Distanz schafft durch seine Beziehung zur „gesunden“, „starken“ Rosie:<br />

»Jack, den sollte man vergessen. Mit der Zeit scheint Jack nicht mehr<br />

zu wissen, wer er ist, wer ich bin. Ich verwalte seine liegengebliebene<br />

76 Katherine Mansfield, Tagebuch 1904-1922. Hrsg. von Max A. Schwen<strong>di</strong>mann,<br />

München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1981, S. 199 f. Der Textausschnitt ist von<br />

Evelyn Schlag in ihren Grazer Poetikvorlesungen zitiert (1993), S. 148.<br />

77 So Evelyn Schlag in dem Gespräch mit Christina Pumplun. Die Frage betraf <strong>di</strong>e<br />

Erzählungen Alle deine Himbeersträucher und Rate das Wort: »Aber in den Erzählungen [...]<br />

verläuft ein wichtiger Teil [...] der Verstän<strong>di</strong>gung zwischen den Partnern ohne Worte. Ist<br />

das <strong>di</strong>e höchste Form menschlicher Kommunikation?« S. 171.

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