Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 159<br />
Schon an den Bezeichnungen der Stadt und der Gasse merkt der Leser/<strong>di</strong>e<br />
Leserin, wie der Stil der Autorin sich entwickelt: voller Ironie, <strong>di</strong>e<br />
zwar anscheinend versteckt bleibt, bilderreich, dank der zahlreichen Komposita,<br />
<strong>di</strong>e eine Reihe von Assoziationen hervorrufen.<br />
Der Name Donaublau spielt auf den weltberühmten Walzer von Johann<br />
Strauß An der schönen blauen Donau an, eine Musik, <strong>di</strong>e stereotypisch<br />
<strong>di</strong>e weiblichen Gemüter schwindelig machen oder sie zum Phantasieren<br />
bringen soll, indem sie sich – nach dem wohlbekannten Muster der französischen<br />
Madame Bovary – allerlei Visionen einbilden, und von unerreichbaren<br />
Zielen schwärmerisch träumen, von der großen, erlösenden Liebe,<br />
von Reichtum, Schönheit und ewigem Glück, Bilder, <strong>di</strong>e ihnen dann <strong>di</strong>e<br />
ganze Existenz hindurch – wie Männer gerne bemerken – vor den Augen<br />
schweben.<br />
Aufgrund ihrer „erlernten“ Hilflosigkeit kann sich Berta nicht <strong>di</strong>e notwen<strong>di</strong>gen<br />
Mittel aneignen, um sich der Brutalität und Fühllosigkeit ihrer<br />
Umwelt, von Wilhelmine symbolisiert, zu widersetzen. Diese Reaktionsunfähigkeit<br />
ist unter der textlinguistischen Perspektive zu erkennen:<br />
Senta Trömel-Plötz41 konstatiert vier, sich sprachlich voneinander unterscheidende<br />
Strategien zur Erreichung eines typischen Zwecks, der »zur<br />
Abschwächung der Aussage, <strong>di</strong>e als elementarstes Strukturmerkmal von<br />
Frauensprache in der Welt der Männer« betrachtet werden muss:<br />
1. Abschwächung der Aussage durch Einschränkung ihrer Gültigkeit mit<br />
Hilfe von Wendungen wie<br />
– Es scheint, dass S.;<br />
– Scheinbar S.<br />
– Vielleicht S.;<br />
– S., glaube ich.<br />
– Meiner Meinung nach S.<br />
In der Erzählung Marianne Fritz’ bemüht sich Berta, <strong>di</strong>e eigenen Aussagen<br />
und Vorschläge immer wieder abzuschwächen, zum Beispiel, wenn<br />
sie nach der rhetorische Frage (» ›Wollt ihr nicht zum Mittagstisch kommen?‹<br />
«) hinzufügt: » ›Nun ja. Ich meine nur. Essenszeit wärs.‹ « (S.V., S. 66)<br />
41 Senta Trömel-Plötz, Frauensprache – Sprache der Veränderung, Frankfurt/M.: Fischer-<br />
Bücherei, 1982, S. 48 f. Dazu bemerkt M. Hausherr-Mälzer in seiner Arbeit Die Sprache des<br />
Patriarchats (1990), S. 140: »Konsequenz der Mechanismen 1 bis 3 ist der Eindruck von<br />
Unsicherheit der Sprecherin, von unernsten Ideen und Unbestimmtheit und Trivialität<br />
des Gesagten. [...] Mechanismus 4 eröffnet der Sprecherin taktische Rückzugsmöglichkeiten.«