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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Evelyn Schlag: Die Sehnsucht nach dem Gespräch 103<br />

schreiben.« 93 Das Erzählen <strong>di</strong>ent folglich nicht der Demonstration feministischer<br />

Thesen, und dementsprechend will <strong>di</strong>e poetologische Intention<br />

der Autorin auch nicht auf mögliche Lösungen, fertige Rezepte für<br />

<strong>di</strong>e außerliterarische Problematik hinweisen. Ihrer Vorliebe für <strong>di</strong>e Deskription<br />

gemäß, für <strong>di</strong>e seismographische Reproduktion der Gesten und<br />

der Gefühlen, will <strong>di</strong>e Erzählerin einfach eine Tatsache feststellen, eine<br />

Erfahrungswelt anerkennen und durch das Zeichen des Literarischen in<br />

poetischen Bildern ver<strong>di</strong>chten.<br />

Die Texte handeln ja von Frauenfiguren, <strong>di</strong>e ganz verschieden sind: <strong>di</strong>e<br />

erste wohnt in der Stadt Wien unserer Tage und ist eine moderne Frau, <strong>di</strong>e<br />

allein, selbststän<strong>di</strong>g und aktiv lebt, und sie übt sogar einen interessanten<br />

und unabhängigen Beruf aus. Die zweite ist eine ältere, anstän<strong>di</strong>ge Dame:<br />

jahrzehntelang galt sie nur als Frau des eigenen Mannes, eines Grazer Beamten,<br />

d.h. sie ist nur in einer sozial völlig anerkannten Rolle an <strong>di</strong>e Öffentlichkeit<br />

getreten. In Wahrheit hat sie ihre Liebe zu einem Intellektuellen<br />

– einem von der Autorin frei erfundenen steirischen Schriftsteller – ein<br />

Leben lang geheim gehalten.<br />

Die Protagonistin der dritten Erzählung ist eine historische Person,<br />

eine Barock<strong>di</strong>chterin, <strong>di</strong>e durch <strong>di</strong>e Literatur ihre Existenz mit einem nicht<br />

geliebten und groben Ehemann zu überleben versucht. Der Mann, der sie<br />

in der Fiktion als (wahrscheinlich) geliebte Person verschweigt, ist Sigmund<br />

von Birken, der <strong>di</strong>e Dichterin in Wirklichkeit als Autorin gefördert<br />

hat.<br />

Die Hauptpersonen sind also Menschen, <strong>di</strong>e verschiedenen Epochen<br />

und Mentalitäten angehören, <strong>di</strong>e alle einen persönlichen, wenngleich bewusst<br />

akzeptierten Lebensstil haben und konsequent, fast zielstrebig agieren.<br />

Evelyn Schlag wurde folgendes gefragt: »Was ist das Gemeinsame an<br />

<strong>di</strong>esen Frauen?« Ist es möglich, <strong>di</strong>ese Figuren auf einen gemeinsamen<br />

Nenner zu bringen, wenn wir <strong>di</strong>e Intention der Autorin respektieren wollen,<br />

der auch für den Leser/<strong>di</strong>e Leserin, also objektiv gelten kann?<br />

Die Antwort lautete:<br />

»Sie haben gemeinsam, daß sie so etwas wie unsichtbare Geliebte<br />

sind. Sie bleiben unsichtbar, weil <strong>di</strong>e (verheirateten) Männer nicht<br />

den Mut haben, sich zu ihnen zu bekennen. Wenn <strong>di</strong>e Männer von<br />

93 So Evelyn Schlag. In: Christina Pumplun, „Gespräch mit Evelyn Schlag“, S. 172.

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