Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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36 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
»Wie soll nun Sinn gedacht und Sein gelebt werden?«<br />
Schon das schmerzhafte Selbstbewusstsein <strong>di</strong>eser Frauenfiguren produziert<br />
Sinn, indem sie – trotz der äußeren geistigen „Umnachtung“ – auf<br />
Würde bestehen, auf Menschenwürde, ohne jedoch an irgendeine Erlösung<br />
zu glauben, wie es sonst üblich ist, und wie Marlene Streeruwitz stark betonte,<br />
um ihre Empörung als Schriftstellerin zu äußern:<br />
»Menschenwürde ist etwas, über das <strong>di</strong>e meisten lachen. Die küssen<br />
einem vielleicht noch <strong>di</strong>e Hand und würden das als Äußerung von<br />
Menschenwürde betrachten [...]. Und so lebt man hier in einer völligen<br />
geistigen Umnachtung und bleibt in fast mittelalterlichen Geisteskategorien<br />
der Lebenslösungen. Ich hab eine Wut, ich bin also<br />
empört über Ungerechtigkeiten, und das ist der Hauptgrund zu<br />
schreiben. Und auch das Gefühl, daß keiner sieht, wie grauenhaft das<br />
ist.« 41<br />
1.6. Lesen aus Erkenntnisinteresse<br />
In ihrem Werk Einführung in <strong>di</strong>e feministische Literaturtheorie erinnert Lena<br />
Lindhoff daran, dass Schreiben besonders im 20. Jahrhundert sehr intensiv<br />
das Phänomen der Hysterie behandelt hat, und das erweise sich »als ein<br />
Schlüssel zu zentralen Problemen feministischer Literaturwissenschaft.« 42<br />
In der Einleitung knüpft Lindhoff an <strong>di</strong>e hier schon erwähnten Theorien<br />
des Poststrukturalismus an, zur gleichen Zeit betont sie aber, dass auch<br />
eine Beschränkung auf <strong>di</strong>e theoretische Ebene zu einer Kristallisation führen<br />
kann:<br />
»Gerade aus einer feministischen Perspektive sind <strong>di</strong>e Differenzen<br />
<strong>di</strong>eser Theorien hinsichtlich der Bestimmung von Sprache/Schrift,<br />
Realität, Körper und Weiblichkeit von entscheidender Bedeutung:<br />
Ein feministisches Erkenntnisinteresse läßt deutlich werden, daß<br />
auch Theorien, <strong>di</strong>e sich das Ins-Spiel-Bringen von unterdrückten<br />
Differenzen zur Aufgabe gemacht haben, zu einer hierarchischen<br />
41 So Marlene Streeruwitz in dem Gespräch mit Ernst Grohotolsky, „Eine Art Taumeln<br />
statt Leben“. In: E. Grohotolsky (Hrsg.), Provinz, sozusagen, S. 244 f. – Die Frage<br />
»Wie soll nun Sinn gedacht und Sein gelebt werden?« wird von M. Streeruwitz formuliert<br />
in ihrem Text Sinn&Sein. Und <strong>di</strong>e Beobachtung der Beobachtung. In: Und. Sonst. Noch. Aber. Texte.<br />
1989-1996, Wien: e<strong>di</strong>tion selene, 1999, S. 85.<br />
42 Lena Lindhoff, Einführung in <strong>di</strong>e feministische Literaturtheorie, Stuttgart,Weimar: Verlag J.<br />
B. Metzler, 1995, S. XIII.