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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Evelyn Schlag: Die Sehnsucht nach dem Gespräch 125<br />

zahl von ihnen hat auch von <strong>di</strong>eser Macht profitiert und nicht wenige<br />

sind zu Mittätern geworden [...].« 115<br />

Das behauptet <strong>di</strong>e Autorin, und schon am Beispiel einer Figur wie der<br />

Grazerin Else Bartsch erscheint es evident, dass es eine Schwarzweißmoral<br />

im Sinne einer Täter-Opfer-Dichotomisierung der Geschlechter nicht gibt.<br />

Die Hauptfiguren <strong>di</strong>eser Erzählungen erweisen sich aber nicht als Opfer:<br />

sie wissen nur allzu gut – schmerzhaft oder einfach melancholisch –,<br />

dass ihr Warten hoffnungslos ist. Trotzdem warten sie und zur gleichen<br />

Zeit leben sie auch sehr intensiv, was ihre Männer im Grunde fasziniert.<br />

Was ihre Rolle betrifft, wurden einige Fragen im Laufe des Gesprächs<br />

mit Evelyn Schlag formuliert, ausgehend von der Aussage der Autorin:<br />

»Ich will zeigen [...] dass Frauen mutiger sind, was ihre Lebensentwürfe<br />

angeht.«<br />

Wie sollen wir <strong>di</strong>ese Attitüde zum Warten lesen? Handelt es sich bei <strong>di</strong>eser<br />

Resignation um eine positive oder um eine negative Kraft? Wie bewertet<br />

<strong>di</strong>e Autorin <strong>di</strong>ese Haltung, <strong>di</strong>ese Stimmung ihrer Frauenfiguren?<br />

Können <strong>di</strong>e Frauen also auf authentischere Weise empfinden, lieben – und<br />

auch schreiben? ... Aber <strong>di</strong>ese Else beweist das Gegenteil: sie schweigt<br />

lange, sie fordert nichts, wie auch <strong>di</strong>e modernere Gudrun, <strong>di</strong>e sich mit<br />

Bruchstücken, mit raren Augenblicken begnügt. Besteht <strong>di</strong>e Kraft der<br />

Frauen darin, dass sie warten, hoffen, sich begnügen können, und trotzdem<br />

imstande sind, utopisch zu denken?<br />

Zu <strong>di</strong>eser Frage sagte Evelyn Schlag:<br />

»Über den größeren Mut der Frauen, was ihre Lebensentwürfe angeht<br />

– zumindest empfinden sie authentischer, glaube ich. [...] Die<br />

Kraft der Frauen, sich mit wenigem zu begnügen, würde ich nicht<br />

unbe<strong>di</strong>ngt positiv bewerten, insofern sind <strong>di</strong>ese Frauen in den Unsichtbaren<br />

Frauen keine Vorbilder. Im Gegenteil, sie führen eigentlich<br />

ein überholtes Frauenbild vor. Aber indem sie sich nicht abbringen<br />

lassen (Catharina und ihr Bekehrungsvorhaben, das ist ja irre, den<br />

habsburgischen Kaiser zum Protestantismus bekehren zu wollen, das<br />

ist, wie wenn man jemanden überreden will, <strong>di</strong>ch zu lieben, und im<br />

115 So bemerkt Ingeborg Weber, indem sie betont, dass <strong>di</strong>e Welt am Weiblich-Mütterlichen<br />

wieder einmal genesen sollte; gleichzeitig erinnert sie auch daran, dass das Frausein<br />

nicht idealisiert werden darf, denn »all <strong>di</strong>ese Fähigkeiten und Verhaltensweisen sind<br />

menschlich, kennzeichen beide Geschlechter und können zum Guten wie zum Bösen<br />

eingesetzt werden.« In: Ingeborg Weber (Hrsg.), Weiblichkeit und weibliches Schreiben. Poststrukturalismus,<br />

weibliche Ästhetik, kulturelles Selbstverständnis, S. 201 ff.

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