Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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130 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
Zwecke befreit und ist entweder Selbstzweck oder <strong>di</strong>ent der reinen<br />
Daseinsfreude des Paares.« 120<br />
Der einzige Trost in Catharinas Leben ist <strong>di</strong>e Freundschaft mit Sigmund<br />
von Birken, ein Verhältnis, das in der Fiktion der Erzählung zu einer<br />
nie gelebten Liebe verwandelt wird. Die Kommunikation ist aber echt<br />
und tief zwischen Silvano und seiner „teuersten“ Uranie:<br />
»Es begann damit, daß sie auf Eigenschaftswörter zu sprechen kamen.<br />
Birken fand Composita besonders schön. Catharina lachte über<br />
seinen Ausdruck ›Zwider-Worte‹.« (U.F., S. 188)<br />
Das erfüllte Liebespaar, so bestätigt Leisi, ist mindestens für eine gewisse<br />
Zeit ein Reservat, ein Stück unverzweckter Welt in einem Meer von<br />
Verzweckung: das Sprachspiel kann also als Widerstand und sanfter Protest<br />
gegen <strong>di</strong>e Verzweckung, gegen das Realitätsprinzip gelten. 121<br />
Aber Sigmund, <strong>di</strong>eser einzigartige Trost der Hoffnung, in äußerster Widerwärtigkeit,<br />
kann sich selbst nicht befreien, er kann sich nicht schenken.<br />
Wie andere Figuren Evelyn Schlags ist er fest verwurzelt in einer unglücklichen<br />
Ehe:<br />
» ›Morgen ist mein Hochzeitstag‹, sagte Birken. ›Aber, teuerste Uranie,<br />
ich habe nichts als Zank und Streit im Haus. [...] Sollte ich je<br />
wieder in meinem Tagebuch lesen, müßte ich über mein unglückliches<br />
Leben erschrecken und mir wünschen, es gehört nicht zu mir.‹ «<br />
(U.F., S. 189)<br />
Weiser und leben<strong>di</strong>ger wirkt <strong>di</strong>e Figur der Dichterin Catharina Regina,<br />
indem sie den Autor Birken daran erinnert, dass Sprache nicht nur zum<br />
bloßen Nennen <strong>di</strong>ent.<br />
Silvano erscheint, als hätte er sich endgültig mit der Melancholie, der<br />
Resignation abgefunden, wie <strong>di</strong>ese Verse sagen:<br />
»Das Herz ist weit von dem, was eine Feder schreibt./ Wir <strong>di</strong>chten ein Ge<strong>di</strong>cht,<br />
daß man <strong>di</strong>e Zeit vertreibt./ In uns flammt keine Brunst, ob schon <strong>di</strong>e Blätter<br />
brennen/ Von liebender Begier. Es ist ein bloßes Nennen.« (U.F., S. 176)<br />
Diese sinnentleerte Position will Catharina Regina im Grunde aber<br />
nicht annehmen, denn sie weiß sicher mehr über Sprache wie auch über<br />
das Leben: von einem „dummen“ Diener, dem jungen Wilhelm, hat sie <strong>di</strong>e<br />
Bestätigung für <strong>di</strong>e Richtigkeit ihrer Wahrnehmungsweise erhalten. Und<br />
120 Ernst Leisi, Paar und Sprache (1993), S. 50.<br />
121 Ebenda.