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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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82 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

terpretiert werden, als Befreiung von der erstarrenden Ordnung der Sprache<br />

und des Denkens, eines identitätsstiftenden Denkens, das keine Abweichungen<br />

erlauben würde, wie Robert einmal vom Ra<strong>di</strong>oapparat zu hören<br />

bekommen hatte:<br />

»System einer Sprache formt <strong>di</strong>e Gedanken. Die Formulierung der Gedanken ist<br />

von der in der jeweiligen Sprache vorhandenen Grammatik gelenkt. Die Sprachen<br />

gliedern also <strong>di</strong>e Natur spezifisch auf.« (BR, S. 95)<br />

Das Gleiten der Signifikanten, <strong>di</strong>e fröhliche Freiheit, mit dem Buchstaben<br />

l spielen zu können, um möglichst viele Signifikate zu evozieren, verhilft<br />

Robert zu einer Sphäre, in der <strong>di</strong>e Hemmungen der „logozentrischen“<br />

Sprache abgebaut werden und <strong>di</strong>e dem Sprechenden erlaubt, seine<br />

Sexualität, <strong>di</strong>e intimsten Wünsche frei äußern zu können, durch eine Assoziationskette,<br />

<strong>di</strong>e ihn sogar an einen „anderen“ Ort bringen wird<br />

(Lappland!).<br />

Die lange, schmerzhafte, aber positive Reise Brandstetters auf der Suche<br />

nach seinem wahren Leben, zur Heilung seiner Melancholie, zur Rettung<br />

der „weiblichen Seiten“ seines Charakters, zur Realisierung seiner<br />

Wünsche endet mit einer neuen Liebesgeschichte dank der sensiblen Lilly,<br />

<strong>di</strong>e ihm eine Chance schenken wird, <strong>di</strong>e letzte, um <strong>di</strong>e eigenen gefährlichen<br />

Träumen zu überleben:<br />

»Du überlebst deine Fehler. Du überlebst deine gefährlichen Träume.<br />

Der letzte verbliebene Rest deiner Begeisterungsfähigkeit [...] wird<br />

von Lilly neu ausgesteckt. Lilly liest <strong>di</strong>r deine Natur vor, umarmt<br />

<strong>di</strong>ch, ohne böse Fragen zu stellen.« (BR, S. 147)<br />

Trotzdem scheint er sich dessen bewusst zu sein, dass es <strong>di</strong>e ewige<br />

Liebe, den ewigen Zauber nicht geben kann. Für seine neue Geschichte<br />

will er aber keinen neuen „Flüchtigkeitsfehler“ begehen, wie es mit Regine<br />

passierte, weil sie keinen Sinn mehr füreinander gaben:<br />

»Das Dunkeln mit seiner Leuchtsprache erschien ihm vertrauter als<br />

Regine. Wir haben es nicht verstanden, uns zu bewahren, dachte er.<br />

Wir haben uns verloren, weil wir uns entwür<strong>di</strong>gt haben. Wir ergeben<br />

keinen Sinn mehr füreinander. Das ist das Schlimmste, was passieren<br />

kann.« (BR, S. 118)<br />

Von seinem Sohn hat er nun endlich erfahren, dass es keine Sicherheit<br />

mehr gibt, keine Mutter, keine feste Burg, <strong>di</strong>e einem ermöglichen könnte,<br />

sich den eigenen Ängsten, den Träumen, den Wünschen zu entziehen: das<br />

Lebensprojekt des Jungen, der <strong>di</strong>e Autorität der Schule ablehnt und frei

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