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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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80 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

leicht originellen Gedanken zu realisieren. Aus dem Krieg war er stumm<br />

zurückgekehrt und hatte sich immer mehr verborgen in dem, was kein<br />

Geld brachte, indem er in seinem Laden saß und Romane aus der Leihbibliothek<br />

las.<br />

Im Grunde war er nie glücklich, immer von der Stimme der Frau beschimpft,<br />

welche <strong>di</strong>e „Ordnung“, <strong>di</strong>e „Logik“ des Alltagslebens und der<br />

Notwen<strong>di</strong>gkeit des Geldver<strong>di</strong>enens verkörperte. So gab der Vater Robert<br />

zu verstehen:<br />

»Sie war eine gute Familienmutter, da gibt’s gar nichts, sagte er. [...]<br />

Aber sie hat mir keine Ruhe gelassen. Ihre Stimme, weißt du. Immer<br />

hat sie etwas verlangt von mir. Und immer der Vorwurf: du mit deinen<br />

Büchern. Schau lieber auf das Geschäft!« (BR, S. 128)<br />

Die Problematik, <strong>di</strong>e sich mit dem Vater schon ankün<strong>di</strong>gte, manifestiert<br />

sich endlich im Sohn: <strong>di</strong>e Gespaltenheit zwischen Phantasie und<br />

Wirklichkeit, zwischen der Logik der Arbeitswelt und der inneren Leidenschaft<br />

lässt Robert tief leiden.<br />

Infolge <strong>di</strong>eser Schwäche ziehen sich seine Trauer, sein Kummer, sein<br />

verstörter Seelenzustand weiter hin, so dass er glaubt, wirklich krank zu<br />

sein wegen der Selbstreflexionen, <strong>di</strong>e er autonom interpretiert als<br />

»[...] Ausfälle, wo ich stehenbleibe in der Zeit, als hätte ich mich aus<br />

meinem Leben hinausgelangweilt. Fast bewußtlos.« (BR, S. 59)<br />

Da <strong>di</strong>e Arbeit für ihn nicht mehr interessant ist und sogar ihre<br />

„Glaubwür<strong>di</strong>gkeit“ verloren hat, scheint es ihm, einfach „ausgeklickt“ zu<br />

sein, als hätte jemand oder etwas ihm <strong>di</strong>e innere Kraft, das innere Licht<br />

einfach ausgeschaltet. Zudem schämt er sich für sein Verlangen, sich jemandem<br />

anzuvertrauen, als wäre <strong>di</strong>eses Bedürfnis eine Form der Weiblichkeit,<br />

oder zumindest der weiblichen Empfindsamkeit, <strong>di</strong>e er bisher<br />

durch den stän<strong>di</strong>gen, logozentrischen Rekurs auf seine Arbeit bekämpfen<br />

wollte, ein Mittel, das sich inzwischen als unwirksam erwiesen hat:<br />

»Dieses Verlangen, sein Innerstes jemandem anzubieten zur Deutung<br />

– das hatte es früher nicht gegeben. Immer hatte <strong>di</strong>e Arbeit ihn<br />

geheilt, oder nicht? Aber <strong>di</strong>e Arbeit hatte ihre Glaubwür<strong>di</strong>gkeit verloren.«<br />

(BR, S. 62)<br />

Im Laufe der Zeit wurde dem Hysteriker vorgeworfen, keinen Willen<br />

zu besitzen, und deshalb sollte er moralisch verurteilt werden. 58 Auch<br />

58 Christina von Braun (1994), S. 48.

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