Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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104 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
<strong>di</strong>esen Frauen in ihre Ehe zurückkehren, sind sie wieder „vernünftig<br />
unglücklich, außer Reichweite ihrer Wünsche“.« 94<br />
Beim Lesen <strong>di</strong>eser Texte merkt man/frau aber auch – neben der Thematik,<br />
d.h. den unglücklichen Beziehungen der Frauen zu Männern, <strong>di</strong>e<br />
zwar ihre Liebe gierig akzeptieren, aber das auf keine Weise zugeben wollen<br />
– <strong>di</strong>e besondere Funktion der Sprache, <strong>di</strong>e der Autorin extrem wichtig<br />
ist. Erst durch <strong>di</strong>e Sprache erhalten <strong>di</strong>e Motive der Unsichtbarkeit und der<br />
glücklich-unglücklichen Liebe ihre Evidenz und kommen zur literarischen<br />
Qualität.<br />
Die sprachliche Thematisierung <strong>di</strong>eser Erzählungen erfolgt auf zwei<br />
Ebenen: einerseits <strong>di</strong>e Korrelation Autorin-Figuren, d.h. <strong>di</strong>e Beschreibung<br />
der sprachlichen Strategien in den Texten dank eines schreibenden Subjekts,<br />
und andererseits <strong>di</strong>e Sensibilität der weiblichen Protagonisten für <strong>di</strong>e<br />
Sprache als Mittel der Kommunikation und der Konfrontation zwischen<br />
den Geschlechtern.<br />
Die drei Hauptfiguren sind nämlich Personen, <strong>di</strong>e selbst schreiben, also<br />
aktiv mit den unendlichen Nuancen der Sprache umgehen und sich auch<br />
mit den Schwierigkeiten konfrontieren, <strong>di</strong>e Welt – d.h. Männer, Gefühle,<br />
Tatsachen, Objekte –, zu bezeichnen.<br />
Der Reiz <strong>di</strong>eser Erzählungen besteht gerade in <strong>di</strong>eser sinnlichen Lust an<br />
der Sprache, an der subtilen, feinen Sprachthematisierung wie immer im<br />
Werk Evelyn Schlags.<br />
Zentralpunkt in <strong>di</strong>eser Sprachreflexion ist <strong>di</strong>e Frage, was kann man von<br />
sich mitteilen, aber sie wird von der Autorin nicht im autobiographischen<br />
Sinn gemeint, sondern wirkt funktionell für <strong>di</strong>e Exploration der außerliterarischen<br />
Welt, <strong>di</strong>e wiederum durch <strong>di</strong>ese Erkundung zur literarischen<br />
Konstellation wird.<br />
»Nicht im autobiographischen Sinn, sondern: was kann <strong>di</strong>e Sprache<br />
leisten, gerade in der Begegnung zweier Liebender. [...] In den erotischen<br />
Erzählungen in dem Band Touché 95 und vor allem in dem neuen<br />
Band Unsichtbare Frauen ver<strong>di</strong>chtet sich das noch. Der Körper des<br />
Mannes wird befragt und gelesen auf mögliche Antworten. Die verbale<br />
Sprache, <strong>di</strong>e im Liebesakt stattfindet, mit ihren neuen Lauten ...<br />
<strong>di</strong>e Sehnsucht danach, daß der andere genau das meint, was man will,<br />
daß er meint ... was ein Nicht-Sagen des Satzes „ich liebe <strong>di</strong>ch“ heißt,<br />
was das Sagen <strong>di</strong>eses Satzes heißt ... Gerade bei <strong>di</strong>esen erotischen<br />
94 Evelyn Schlag, ebenda.<br />
95 Vgl. Evelyn Schlag, Touché. Erzählungen, Frankfurt/M.: S. Fischer, 1994.