Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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78 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
zu erreichen, Zärtlichkeit und Liebe zu beweisen. Erst in den jüngeren<br />
Generationen trauen sich viele Ehemänner, für <strong>di</strong>e eigenen Kinder <strong>di</strong>rekt<br />
zu sorgen, während <strong>di</strong>e neuesten Gesetze sogar das Recht auf „Vaterschaft“<br />
anerkennen und lange Arbeitspausen erlauben, damit <strong>di</strong>e Väter<br />
selbst für <strong>di</strong>e Kinder sorgen können.<br />
»Er hatte nie gelernt, Männer zu berühren. Mußte man das lernen? In<br />
einer Zivilisation, in der Berühren nur noch mit Ansteckung oder<br />
Sexualität in Verbindung gebracht wird …?« (BR, S. 52)<br />
Für <strong>di</strong>e modernen Menschen, <strong>di</strong>e sich mit der kühlen Ordnung der<br />
Technik beschäftigen, als Agenten der Technologie, geht es nämlich darum,<br />
den verlorenen Kontakt zur Natur, <strong>di</strong>e verlorene Gewohnheit im Umgang<br />
mit der Körperlichkeit wiederzugewinnen. Damit kann man/frau <strong>di</strong>e Innenwelt<br />
und <strong>di</strong>e Außenwelt, <strong>di</strong>e Innerlichkeit und Äußerlichkeit harmonisieren,<br />
wieder in Einklang bringen:<br />
»Unsere knopfdrückenden, textabrufenden Finger, <strong>di</strong>e als Agenten<br />
der Technologie <strong>di</strong>ese wichtigen Grenzposten besetzt halten, dort,<br />
wo unser Körper gestaltend an <strong>di</strong>e Außenwelt stößt. Das haben wir<br />
uns fremdmachen lassen, dachte Brandstetter. Ich möchte meinen<br />
erwachsenen Sohn berühren.« (BR, S. 52-53)<br />
Der Ursprung der Gespaltenheit wird also ganz deutlich in der Zerrissenheit<br />
zwischen Außenwelt und Innenwelt, in dem von der fremdbestimmenden<br />
Technologie mitverursachten Verlust der Körperlichkeit, der<br />
sinnlichen Dimension des Lebens entdeckt.<br />
Plötzlich wird <strong>di</strong>e Krise Brandstetters durch ein anderes Element verstärkt:<br />
<strong>di</strong>e Mutter ist mit einem Gehirnschlag ins Krankenhaus eingeliefert<br />
worden. Daran fühlt sich der Sohn auch schul<strong>di</strong>g, als ob seine persönliche<br />
Verwirrung auf das Leben der Verwandten hätte wirken können, indem er<br />
immer wieder daran denkt:<br />
»[...] daß der Unfall schon am Wochenende über seiner Familie gekreist<br />
sein mußte und sich dann in der Mutter aufgelöst hatte.« (BR,<br />
S. 55)<br />
Das neue Bild der Mutter, <strong>di</strong>e im Bett liegt und keine Befehle mehr<br />
erteilen kann, weil sie nur noch imstande ist, sehr kleine Wortfragmente zu<br />
stammeln, lässt ihn weiter reflektieren, über <strong>di</strong>e eigene Geschichte und vor<br />
allem über <strong>di</strong>ese Frau, „<strong>di</strong>ese furchtlose Gesetzgeberin in der Familie“<br />
(BR, S. 56), <strong>di</strong>e sich vielleicht zu sehr um <strong>di</strong>e Söhne gekümmert hat. Jetzt