Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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30 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
sprechen elliptisch [...], schreiten nicht <strong>di</strong>skursiv und linear voran,<br />
sondern assoziieren sprunghaft [...].« 30<br />
Ästhetisch gesehen, notiert Ingeborg Weber, verbindet <strong>di</strong>e von Hélène<br />
Cixous formulierte écriture féminine <strong>di</strong>e poststrukturalistische Auffassung<br />
vom Gleiten der Bedeutung mit der Poetik der Moderne als Ra<strong>di</strong>kalisierung<br />
einer romantischen Poetik: assoziatives Schreiben bis hin zum surrealistischen<br />
automatischen Schreiben aus dem Unbewussten, denn »feminine<br />
Texte sind offene, zur Lyrik hin entgrenzte Texte.« 31<br />
Wichtig erscheint es mir – in Bezug auf <strong>di</strong>e in <strong>di</strong>eser Arbeit analysierten<br />
Figuren –, <strong>di</strong>e Unterscheidung zwischen einer „männlichen“ und einer<br />
„weiblichen Ökonomie“ hervorzuheben.<br />
Die weibliche Ökonomie soll aber nicht falsch, mit falschen Vorstellungen<br />
assoziiert und oberflächlich verstanden werden.<br />
Das Wort charakterisiert nämlich eine Einstellung, eine Ökonomie, <strong>di</strong>e<br />
nicht durch Wiederholung, Unbeweglichkeit und somit letztlich Tod gekennzeichnet<br />
ist: vielmehr soll sie Charakteristika wie Verausgabung, Innovation,<br />
Bewegung, Leben<strong>di</strong>gkeit aufweisen. „Männlich“ und „weiblich“ sind dabei aus<br />
dem tra<strong>di</strong>tionellen Geschlechter<strong>di</strong>skurs stammende Metaphern: Weibliches<br />
Schreiben ist also auch bei männlichen Autoren festzustellen, wie bei<br />
James Joyce, denn es scheint sicher fragwür<strong>di</strong>g, Schreibweise und Geschlechtscharakter<br />
normativ miteinander zu verbinden. Der Logik der Kastration<br />
gegenüber (der männlichen Angst vor der Frau) schlägt Cixous eine Ethik<br />
des Schreibens vor, <strong>di</strong>e auf der weiblichen Ökonomie der Gabe basiert, und<br />
den Anderen weder aneignen noch verdrängen will. 32<br />
Diese Ethik des Schreibens als Dialog, als Gabe, als Offenheit für den Anderen<br />
wird in <strong>di</strong>eser Arbeit untersucht, und produktiv kann auch sein, dazu<br />
<strong>di</strong>e Interpretation des Künstlers (der Künstlerinnen in unserem Fall) als Tabu-<br />
30 Ingeborg Weber (1994), S. 32. I. Weber zitiert einen Satz, der mir sehr wichtig erscheint:<br />
»Ich habe keine Antworten. Aber an Fragen bin ich reich.« In: Hélène Cixous, Die<br />
unendliche Zirkulation des Begehrens. Weiblichkeit in der Schrift (1980), S. 7.<br />
31 Ingeborg Weber (1994), S. 33.<br />
32 Vgl. den Beitrag von Lena Lindhoff, Cixous: Eine andere Art der Anerkennung. In: Lena<br />
Lindhoff, Einführung in <strong>di</strong>e feministische Literaturtheorie (1995), S. 122 ff. Vgl. auch den Artikel<br />
über Hélène Cixous im Band Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie (1998), S. 67-68. –<br />
Zum Thema „Weiblichkeit und weibliches Schreiben“ merkt Ingeborg Weber an, dass es<br />
aller<strong>di</strong>ngs fragwür<strong>di</strong>g sei, Schreibweise und Geschlechtscharakter normativ einander zu verbinden.<br />
Es soll also vermieden werden, eindeutige Zuordnungen von AutorInnen zu der einen<br />
oder anderen Kategorie des Schreibens zu treffen. – Vgl. dazu den Kapitel „Weiblichkeit<br />
und weibliches Schreiben: Versuch einer Standortbestimmung“, S. 195 ff.