07.10.2013 Aufrufe

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 149<br />

In ihrem Unglück hatte Berta ja das Glück, daß sie, Wilhelmine, anwesend<br />

war.«<br />

Dieser Grundgedanke wird in der Arbeit Sprachgewalt von Karsta Frank<br />

genau untersucht: <strong>di</strong>e Autorin zitiert <strong>di</strong>e Definition von Johan Galtung<br />

(1975), nach der Gewalt dann vorliegt:<br />

»[...] wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische<br />

und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle<br />

Verwirklichung.« 28<br />

Frank erinnert daran, dass in <strong>di</strong>esem Sinne Gewalt als Ursache für <strong>di</strong>e<br />

Differenzen zwischen dem Aktuellen und dem Potentiellen zu verstehen<br />

ist, zwischen dem, was ist, und dem, was hätte sein können, zwischen<br />

Krankheit und Tod und der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, <strong>di</strong>e<br />

Krankheit durch präventive Maßnahmen zu verhindern oder sie zu heilen.<br />

29<br />

»Dabei muß aller<strong>di</strong>ngs das Aktuelle „objektiv vermeidbar“ sein [...]<br />

und das Potentielle, der zu realisierende Wert, muß „einigermaßen<br />

konsensual“ sein [...].« 30<br />

In der Textpraxis wird Berta stän<strong>di</strong>g Gewalt angetan, und zwar in<br />

sprachlicher Form, besonders nach der oben erwähnten Definition, wonach<br />

Gewalt vom Objekt her definiert ist: Wir wissen nichts über <strong>di</strong>e Intentionen<br />

Wilhelmines, obwohl wir sie allmählich erahnen können, nur am<br />

Ende vollzieht sich ihr Plan, Berta dessen zu berauben, was ihr wertvoll<br />

ist. Alles will Wilhelmine für sich erlangen: Nachwuchs, Mann, und sogar<br />

das symbolische „Kleinod“ der Blechmadonna.<br />

Nach der zitierten Definition ist es nicht so sehr <strong>di</strong>e Intention einer<br />

Täterin bzw. eines Täters, <strong>di</strong>e eine zentrale Rolle spielt, sondern der Schaden,<br />

der den Betroffenen entsteht: infolge der Gewalt<br />

»können In<strong>di</strong>viduen im doppelten Sinne der Wörter getötet oder verstümmelt,<br />

geschlagen oder verletzt und durch den strategischen Einsatz<br />

von Zuckerbrot und Peitsche manipuliert werden.« 31<br />

28 Karsta Frank, Sprachgewalt (1992), S. 1.<br />

29 Karsta Frank, ebenda: das Zitat stammt aus dem Buch von Johan Galtung, Strukturelle<br />

Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt,<br />

1975, S. 9.<br />

30 Karsta Frank (1992), S. 12 f.<br />

31 J. Galtung, S. 12, zitiert von Karsta Frank, S. 1.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!