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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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56 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Die einzelne Stimme erhebt sich tra<strong>di</strong>tionsgebunden und immerhin<br />

originell, indem sie leben<strong>di</strong>g neues sprachliches und konzeptuelles Potential<br />

entwickelt, etwa wenn T. S. Eliot in seinem Essay Tra<strong>di</strong>tion and the In<strong>di</strong>vidual<br />

Talent behauptete, dass das jeweils neue Werk zwar in <strong>di</strong>e Ordnung<br />

der Tra<strong>di</strong>tion eingefügt werde, aber ihm doch ein Potential zukomme, so<br />

dass es eine Veränderung auf <strong>di</strong>e Relationen und Kriterien des Kanons<br />

bewirken kann. 33<br />

Evelyn Schlag erinnert ihrerseits daran, dass für Eliot nicht so sehr <strong>di</strong>e<br />

Großartigkeit und Intensität der Gefühle zähle, sondern vielmehr »<strong>di</strong>e<br />

Intensität des Drucks, unter dem <strong>di</strong>e Fusion stattfindet.« 34 Alle <strong>di</strong>ese Elemente<br />

tragen dazu bei, dass ein Text gelungen erscheint, auch weil <strong>di</strong>e<br />

Wahrhaftigkeit eines Autors/einer Autorin besonders zu schätzen ist: Keine<br />

Wahrheit soll der Text verkünden, er soll vielmehr wahrhaftig erscheinen,<br />

damit der Identifikationsprozess sich entwickelt. Und das will Evelyn<br />

Schlag programmatisch auch geltend machen:<br />

»Die Art <strong>di</strong>eser Konzentrationsleistung gehört für mich immer zu<br />

der Wahrhaftigkeit eines Autors, und insofern ist sie Teil seiner Person,<br />

seines Charakters als Künstler, seiner Ernsthaftigkeit.« 35<br />

2.2. Die Erzählung Nachhilfe. Oder: Die Parteilichkeit ist auf der richtigen Seite<br />

»Ich erzähle von Marianne und ich erzähle als jemand, der Marianne sein<br />

könnte. Ich erzähle einen Abschnitt Lebensgeschichte einer Frau. Ich bin eine<br />

Erzählerin.« 36<br />

In dem kurzen, nicht explizit als Vorwort betitelten, aber bedeutungsvollen<br />

Text, der <strong>di</strong>e erste von Evelyn Schlag veröffentlichte Erzählung<br />

einführt, präzisiert <strong>di</strong>e Autorin ihre Position, ihre Rolle als Urheberin der<br />

Fiktion im Verhältnis zum Leser und zur Leserrolle sowie zur Welt der<br />

Figuren, <strong>di</strong>e in <strong>di</strong>esem Werk und in den darauffolgenden Geschichten auf<br />

Mehrstimmigkeit – im Band Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, S. 92-93, insbesondere<br />

über <strong>di</strong>e Einführung und Etablierung des Begriffes dank der Übersetzer und Interpreten<br />

M. M. Bachtins.<br />

33 Ebenda, S. 539. T. S. Eliot wurde von Evelyn Schlag zitiert in ihrem 2000 im Musilhaus<br />

gehaltenen Vortrag. Vgl. T. S. Eliot, The Sacred Wood. Essays on Poetry and Criticism,<br />

London: Faber and Faber, 1997.<br />

34 Evelyn Schlag, Der Nachklang allerfremdesten Lebens (2000), o. S.<br />

35 Ebenda.<br />

36 Evelyn Schlag: Nachhilfe, Wien, München: Jugend und Volk, 1981, S. 5.

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