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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Evelyn Schlag: Die Sehnsucht nach dem Gespräch 109<br />

in Gefahr war, daß wirklich etwas Ernsthaftes mit mir los sein<br />

könnte. Sie hat keine Angst um mich, verstehen Sie – verstehst du?‹ «<br />

(U.F., S. 55)<br />

Die Tragö<strong>di</strong>e des Unverständnisses, des Mangels an einer befrie<strong>di</strong>genden<br />

Kommunikation wiederholt sich stän<strong>di</strong>g in <strong>di</strong>eser Ehe trotz der Versuche<br />

des Mannes, einen Dialog zu führen. Das ruft ein Gefühl der Kastration<br />

hervor:<br />

»Er liebte sein Leben. Er wünschte, er könnte ihr <strong>di</strong>ese Sehnsucht in<br />

den Körper kneten. Er wünschte, er könnte zaubern.<br />

Du hast <strong>di</strong>r <strong>di</strong>e Hände nicht gewaschen!« (U.F., S. 22)<br />

Unter Kommunikation wird nämlich nicht nur eine rationale, äußerliche<br />

Informationsübermittlung verstanden, sondern auch ein tiefes, innerliches<br />

Verständnis. Deswegen wird eine „schlechte“ Sprache der Paarbeziehung<br />

schaden, genauso wie – in umgekehrter Richtung – eine gestörte Beziehung<br />

sich in der Sprache wie in den paralinguistischen Mitteln (Gesten,<br />

Blicken, Pausen, Tonfall) manifestiert. 104<br />

Indem Gudrun und Joachim jedes Mal entscheiden, sich wiederzusehen,<br />

steigen sie sozusagen in eine Parallelexistenz ein, wo <strong>di</strong>e Vernunft vor<br />

dem Gefühl oder besser der Leidenschaft, dem Begehren zurücktritt. Die<br />

Liebenden treffen sich nur alle paar Monate in Hotelzimmern, ihre Beziehung<br />

kann sich also nicht durch den Alltag festigen, sie wird immer flüchtiger<br />

und lebt von einzelnen Momenten, von Gedanken, von Telefongesprächen,<br />

das Telefon insbesondere spielt eine unentbehrliche Rolle:<br />

»Das Telefon, ohne das ihre Liebe überhaupt keine Chance hätte.«<br />

(U.F., S. 24)<br />

Die Erzählung fängt mit einer sehr konkreten Beschreibung einer Liebesszene<br />

an, wo jedes einzelne Detail, jede kleinste Bewegung notiert wird.<br />

Der physischen Körperlichkeit, der extremen Genauigkeit <strong>di</strong>eser Begegnung<br />

zweier Körper wird aber <strong>di</strong>e Flüchtigkeit, <strong>di</strong>e Leichtigkeit ihrer Liebe<br />

entgegengesetzt, gegen <strong>di</strong>e Gudrun sich wehren möchte.<br />

Der Blick des schreibenden Subjektes will auf keinen Fall pornographisch<br />

oder naturwissenschaftlich exakt wirken, sondern, wie <strong>di</strong>e Autorin<br />

auch explizit betont hat, er ist genau, weil er Nähe herstellen wird:<br />

»Die verbale Sprache feiert ihre Rückkehr als verbale Sprache des<br />

104 Vgl. das Kapitel „Störungen“ im Band E. Leisis Paar und Sprache (1993), S. 110 ff.

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