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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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164 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Am nächsten Morgen weiß Rudolf, dass er (der sich selbst als solcher<br />

bezeichnet infolge der sozial geltenden Sprachnormen), ein dreiunddreißigjähriger<br />

Junggeselle (Definition der Gesellschaft für einen noch nicht<br />

verheirateten jungen Mann) und Grantscherben aus Passion (Selbstdefinition<br />

aufgrund der empfundenen Leidenschaft), dafür sorgen werde, dass <strong>di</strong>eses<br />

zweiundzwanzigjährige Nachbarmädel Berta Faust einen Mann bekommt,<br />

und zwar jemanden „von Alban Bergscher Treue und Beethovenscher<br />

Strenge“. Er hat sich im Inneren überzeugt: sobald der Albtraum vorbei<br />

sein werde, will er bei der Straußmusik bleiben, beim Wasser, beim Leben.<br />

In seinem Selbstmonolog symbolisieren <strong>di</strong>e musikalischen Kompositionen<br />

verschiedene Einstellungen:<br />

» ›Warum soll ich ihr <strong>di</strong>e Straußmusik wegnehmen? [...] Was hat der<br />

Donauwalzer mit „Deutschland über alles“ zu tun? Wasser und<br />

Feuer; nein; nein; da bleibe ich lieber beim Wasser.‹ « (S.V., S. 45)<br />

Die Erzählstruktur aber, <strong>di</strong>e das Leben wiederaufnimmt, kann nur selten<br />

<strong>di</strong>e Illusionen bestätigen: so wird es Rudolf – der im Krieg stirbt –,<br />

nicht möglich sein, seiner „grüblerisch scheuen“ Berta zu einer Selbstidentifikation<br />

zu verhelfen, zu einem Selbstbild, das durch <strong>di</strong>e Einheit mit<br />

sich selbst im Anderen gelingt, durch <strong>di</strong>e Heirat mit einem Mann wie Rudolf,<br />

der sie „mit der großen Verwunderung in den Augen“, mit respektvoller<br />

Achtung und Anerkennung hätte anschauen können.<br />

3.5. Der Mangel an Selbstidentifikation. Oder: Die „arme“ Berta als Kindfrau,<br />

<strong>di</strong>e Hysterikerin als wahre Frau<br />

Die Hauptfigur Berta Schrei, geborene Faust, scheint also innerhalb der<br />

Textpraxis das Weibliche par excellence zu verkörpern, wie im Diskurs des<br />

Geliebten Rudolf auch klar anklingt:<br />

» ›Du mußt Berta mit meinen Augen sehen, sonst begreifst du Berta<br />

nicht. Es ist wichtig. [...] Sie ist ein Kind, Wilhelm. Auch wenn ihr<br />

Leib gar nicht eckig und kantig, sondern weich und warm ist. [...]‹ «<br />

(S.V., S. 91)<br />

Sie weist <strong>di</strong>e der Skala der Expressivität zugeordneten Eigenschaften<br />

auf, wie Einfühlsamkeit, Besorgtsein, Fürsorglichkeit, ihr fehlt jedoch <strong>di</strong>e Instrumentalität<br />

als entscheidendes Persönlichkeitsmerkmal, das notwen<strong>di</strong>g<br />

ist, um stressvolle Situationen zu bewältigen.

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