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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 167<br />

scheidender Irrtum! Alles hat seine Logik. Verstehst du, alles. Aber<br />

lassen wir das!‹ « (S.V., S. 93-94)<br />

Das sagte der Obergefreite und Musiklehrer Rudolf zu dem seine<br />

Worte nicht verstehenden Freund Wilhelm kurz vor dem Sterben.<br />

In der Tat schildert <strong>di</strong>e Textpraxis <strong>di</strong>e Logik des Wahnsinns, in den<br />

Berta verfallen wird, durch sprachliche Gewalt, durch <strong>di</strong>e Unfähigkeit, <strong>di</strong>e<br />

Schwerkraft der Verhältnisse zu bewältigen.<br />

Aus der Geschichtenerzählerin wird eine stumme Frau, <strong>di</strong>e nur noch<br />

»So. So.« sagen kann, durch den Prozess der Verstümmelung, der sie dazu<br />

zwingt, den Schrei, den sie nicht ausstoßen kann, durch masochistische<br />

Gewalt zu ersetzen.<br />

Da sie nicht imstande ist, <strong>di</strong>e Lage männlich in Angriff zu nehmen, begeht<br />

sie Mord und Selbstmordversuch, weil ihre nackte Angst nicht mehr zu<br />

ertragen und zu überwinden ist.<br />

Sie ist allein, sich selber ausgesetzt und verfügt nicht über <strong>di</strong>e instrumentellen<br />

Charakterressourcen, <strong>di</strong>e ihr vielleicht einen Ausweg hätten zeigen<br />

können, um ihren eigenen Standpunkt der familiären und sozialen<br />

Umwelt gegenüber zu vertreten und damit sich und den Kindern eine<br />

bessere Existenz zu verschaffen.<br />

Im Band Frauen und psychische Gesundheit erklärt nämlich Monika Siever<strong>di</strong>ng:<br />

»Ob Frauen psychisch gesund sind beziehungsweise streßvolle Situationen<br />

in ihrem Leben bewältigen und sich selbst ein zufriedenstellendes<br />

Leben schaffen können, hängt vermutlich in einem wesentlichen<br />

Ausmaß davon ab, ob sie <strong>di</strong>e Möglichkeit hatten, sich instrumentelle<br />

Eigenschaften anzueignen.« 43<br />

Wichtig wäre es – wie <strong>di</strong>e Autorin des Beitrages betont –, dass <strong>di</strong>ese<br />

Fähigkeiten nicht spät als Erwachsene, sondern in der frühen Sozialisation<br />

durch Elternhaus und Schule vermittelt würden, das könnte <strong>di</strong>e Wahrscheinlichkeit<br />

des Auftretens einer psychischen Störung verringern.<br />

Wenn aber <strong>di</strong>e Fähigkeit nicht entwickelt ist, dann tritt Angst auf, da<br />

Konflikte nicht bewältigt werden können, da typisch weibliche Eigenschaften<br />

(Hilflosigkeit, Passivität, Abhängigkeit) im Gegensatz zu den<br />

männlichen Attributen geringer bewertet und sozial kaum belohnt werden.<br />

43 Monika Siever<strong>di</strong>ng, Frauen und psychische Gesundheit. Die Rolle „männlicher“ und „weiblicher“<br />

Persönlichkeitseigenschaften. In: Ursula Nuber (Hrsg.), Bin ich denn verrückt?! Was Psychotherapie<br />

für Frauen leistet – und was nicht (1994), S. 18-19.

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