Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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Marlene Streeruwitz: Eine Poetik des Suchens 199<br />
Keine „literarischen Sonntagsmessen in Hochkultur“ will <strong>di</strong>e Autorin<br />
Marlene Streeruwitz zelebrieren: in ihrem Literaturbegriff werden zum<br />
Beispiel auch Trivialliteratur, Fernsehserien und Dialogisches einbezogen,<br />
es geht also um »[...] alle Texte, <strong>di</strong>e gelesen oder gehört werden. Vornehmlich<br />
im Alltag. « 24<br />
Das Kennenlernen-Wollen als Lebensattitüde wird als entscheidendes<br />
Merkmal verschiedener Vorgänge erkannt: Indem der Schreiber oder <strong>di</strong>e<br />
Schreiberin <strong>di</strong>ese Augenblicke des Gemeinsamen nicht erleben (denn<br />
»Diese Augenblicke sind dem Lesen vorbehalten. Der Schreiber oder <strong>di</strong>e<br />
Schreiberin können das Gemeinsame nicht wissen und werden es gültig<br />
aus dem eigenen Text nie erfahren. Sie bleiben mit ihrem Text immer allein.«),<br />
25 haben der Leser und <strong>di</strong>e Leserin <strong>di</strong>e Chance, zu verstehen, dass<br />
ihre Erlebnisse oder Emotionen miterlebt und mitgefühlt werden, und<br />
gelangen zur Erkenntnis innerhalb eines intersubjektiven Raumes. Nicht<br />
umsonst zitiert Streeruwitz <strong>di</strong>e für sie wichtige Dichterin Friederike Mayröcker:<br />
»Ich möchte einfach, daß Leute meine Bücher lesen. – Und zwar Leser,<br />
<strong>di</strong>e etwas mit meinen Texten machen, <strong>di</strong>e mich in irgendeiner<br />
Weise kennenlernen und damit wahrscheinlich auch sich selber besser<br />
kennenlernen.« 26<br />
4.1.1. Das weibliche Sprechen. Oder: Die Schwierigkeiten der Frauen, Ich zu<br />
sagen und das erste weibliche Wort zu erringen<br />
»Dem Sinn des Lebens als einem vorgegebenen oder gar vorgeschriebenen<br />
sind wir entkommen. Wir müssen den Sinn des Lebens<br />
im Leben und beim Leben finden.« 27<br />
Durch <strong>di</strong>e Kunst gelingt es der Autorin, der Verwissenschaftlichung der<br />
Lebenszusammenhänge durch Lust zu entfliehen und ordnendem Denken<br />
den Inhalt zu entziehen.<br />
24 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 12.<br />
25 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 9-10.<br />
26 Friederike Mayröcker. In: Siegfrid J. Schmidt (Hrsg.), Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1984.<br />
Die Aussage zitiert Marlene Streeruwitz in: Und. Sonst. Noch. Aber. Texte. 1989-1996, S. 62.<br />
27 Marlene Streeruwitz, Sinn & Sein. Und <strong>di</strong>e Beobachtung der Beobachtung. In: Und. Sonst.<br />
Noch. Aber. Texte 1989-1996, S. 79.