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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marlene Streeruwitz: Eine Poetik des Suchens 229<br />

4.3. Wie ist es, eine „brave“ Mutter zu spielen? Genügt es, „gut genug“ zu<br />

sein? Reflexionen zur Mutterrolle am Beispiel des Romans Verführungen.<br />

»In einer Wechselwirkung von kritischem Lesen und eigenem<br />

Schreiben müßten wir einander alle Geschichten erzählen, <strong>di</strong>e möglich<br />

sind.« 81<br />

Das gilt natürlich nicht nur für Frauen, obwohl es immer notwen<strong>di</strong>g ist,<br />

dass sie das Wort selber ergreifen, um <strong>di</strong>e Welt zu sagen, sondern auch für<br />

Männer:<br />

»In der Tatsache, daß jeder und jede ein Kind gewesen war, bevor er<br />

oder sie begreifen konnte, liegt <strong>di</strong>e Notwen<strong>di</strong>gkeit, sich in einer eigenen<br />

Sprache ein Selbst zu schöpfen.« 82<br />

Die Kindheit spielt eine zentrale Rolle im Leben des Menschen, der<br />

Frauen wie der Männer: deshalb ist es so wichtig, das Wort zu ergreifen,<br />

um <strong>di</strong>e eigenen Positionen zu behaupten, um sich selbst als weibliche oder<br />

männliche Ich-Konstitution zu definieren.<br />

Wenn <strong>di</strong>e Hauptfigur des Romans Lisa’s Liebe. an der Gefühllosigkeit<br />

ihrer Mutter krank wird, so versucht <strong>di</strong>e Protagonistin des ersten Romans<br />

von Marlene Streeruwitz, <strong>di</strong>e dreißigjährige Wienerin Helene, <strong>di</strong>e Beziehung<br />

zu den eigenen Töchtern zu bewahren. Diese Beziehung ist schon<br />

genau analysiert worden, 83 aber mir scheint es durchaus wichtig zu betonen,<br />

im Rahmen <strong>di</strong>eser ganzen Arbeit und im Vergleich zur Mutterfigur in<br />

der Erzählung von Marianne Fritz, wie Helene eine sich emanzipierende Frau<br />

darstellt, <strong>di</strong>e versucht, ihre Kinder zu erziehen durch <strong>di</strong>e Vermeidung von<br />

Angst und ohne Rückgriff auf irgendeine hierarchisch fun<strong>di</strong>erte Autorität.<br />

Umgeben von Männern, <strong>di</strong>e über sie hereinbrechen, wie über Lisa im<br />

zweiten Roman, von Männern, <strong>di</strong>e nicht existieren als reale Menschen, <strong>di</strong>e<br />

ihr Leben nicht wirklich mitteilen wollen (Gerhard, der sie wegen seiner<br />

Sekretärin im Stich gelassen hat, der egoistisch gesinnte Schwede Henryk,<br />

ein „win<strong>di</strong>ger“ Liebhaber, der sie zu eigenem Nutzen ausbeutet, der Chef<br />

im Büro, der von ihrer Folgsamkeit und ihrem Nettsein und ihrer Unterwürfigkeit<br />

beruflich profitiert), also als Nicht-Figuren erscheinen, 84 findet<br />

81 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 35. – Der Roman Verführungen.<br />

3 Folge [.] Frauenjahre. erschien 1996. Im Folgenden zitiert mit Verf. und Seitenzahl.<br />

82 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 35.<br />

83 Vgl. <strong>di</strong>e Magisterarbeit von Sabine Haremberg Erfolgreich verführt? Marlene Streeruwitz’<br />

Prosatext Verführungen. 3. Folge Frauenjahre. – eine Analyse, Universität Marburg, 1999.<br />

84 Dazu danke ich der Autorin Marlene Streeruwitz für das Gespräch in Wien am 28.<br />

7. 2000. – Was Streeruwitz’ Figuren angeht, <strong>di</strong>e allmählich Selbstbewusstsein entwickeln,

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