Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

Nachwort 271
»[...] impliziert eine Verdoppelung der Frau, die sich selbst zum Objekt
wird und damit als Frau eine eigene Gestalt gewinnen kann.« 19
Diese Verdoppelung kann also die Subjekt-Objekt-Beziehung durch ein
Spiegelverhältnis neu und anders gestalten: »Um Subjekt werden zu können,
muß die Frau sich selbst Objekt werden, und das kann sie nur innerhalb
einer intersubjektiven Struktur«, also nur über andere Frauen. 20
Als Tradition stiftendes Beispiel möchte ich zuletzt auf die Worte der
Dichterin Evelyn Schlag hinweisen, welche die Möglichkeit jenes hierarchielosen
Aufeinanderbezogenseins von Subjekten, jener Kollaboration über Zeit und
Raum und persönliche Begegnung hinaus evozieren und zugleich beweisen, denn
poetry is a collaborative art: so wie Dichten sind aber auch Lesen und Übersetzen
Elemente, Ereignisse einer bezaubernden und produktiven Kunst der
Zusammenarbeit.
Für Evelyn Schlag hat die weibliche Stimme aber nie einen „appellativen
Impetus“, denn:
»[...] sie sucht keine Verbündeten. Das Bewusstsein, zu einer Gemeinschaft
weiblicher Gleichgesinnter, zu einem „female tribe“ zu
sprechen fehlt ihr.«
Für Evelyn Schlag bleibt die weibliche Stimme der Autorität eine individualistische,
eine auf Vereinzelung eingestimmte:
»Die Erfahrungen, die – wie konzentriert, verändert, entpersönlicht
auch immer – als Gedicht ein anderes Leben begonnen haben, sind
für mich immer ohne Anspruch auf größere Gültigkeit. Ihre Autorität
liegt in der Genauigkeit der individuellen Erfahrung.« 21
Es kommt also auf die LeserInnen, KritikerInnen und LiteraturwissenschaftlerInnen
an, diese Individualisierung aufzuwerten und die Wirkung
dieser Autorität dann zu erweitern, indem sie die Aufgabe haben, in der
Sprache, an der Sprache, mit der Sprache Anderes und Neues zu ahnen, diese
Spuren der Kommunikation und der Sehnsucht danach zu suchen, „dem
verborgenen Sinn nachspüren“. 22 In dieser Richtung kann der Mensch zur
Bildung in der klassischen Perspektive wirklich beitragen, indem er/sie einen
Weg zu sich selbst und zu den anderen findet, indem die Lesenden
unendliche Beziehungen zwischen Leben und Worten entdecken oder mit-
19 Ebenda.
20 Ebenda.
21 So Evelyn Schlag, Der Nachklang allerfremdesten Lebens (2000), o.S.
22 Evelyn Schlag, ebenda.