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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Nachwort 263<br />

Das Hexensein definiert sich also konsequent infolge der sozialen Kontrolle:<br />

aber gerade in <strong>di</strong>eser Hinsicht können <strong>di</strong>ese Frauen, mit ganz normalen<br />

Schicksalen und wahrscheinlich sehr hohem Maß an Leiden, <strong>di</strong>e<br />

Missbilligung der „normalen Leute“ im Alltagsleben überstehen.<br />

Die soziale Kontrolle, d. h. »<strong>di</strong>e Verhaltenskoor<strong>di</strong>nation von In<strong>di</strong>viduen<br />

in einem sozialen Kontext, zu dessen Aufrechterhaltung und Stabilisierung<br />

in<strong>di</strong>viduelle Handlungsweisen normiert und abweichende Handlungsweisen<br />

sanktioniert werden«, 14 wirkt ansonsten entscheidend, wenn<br />

der Einzelne/<strong>di</strong>e Einzelne weder Gesten noch Worte findet, <strong>di</strong>e zur Mo<strong>di</strong>fizierung<br />

der Realität beitragen würden.<br />

Diese von Birgit Vanderbeke so niedlich und brisant skizzierten Hexen<br />

weichen in sehr persönlichen, sehr kleinen Dingen (etwa der Fingernägelfarbe!)<br />

von der normierten und sprachlich formulierten Verhaltenskoor<strong>di</strong>nation<br />

ab, aber das genügt, um <strong>di</strong>e Missbilligung der „normalen – und –<br />

vernünftigen“ Leute zu ver<strong>di</strong>enen. Trotzdem gelingt <strong>di</strong>eser Versuch der<br />

Schriftstellerin, ironisch »das Hexische ins Positive zu drehen«, indem<br />

<strong>di</strong>ese Frauenfiguren eine uralte Weisheit verkünden können, wie eine andere<br />

Hexe der jungen Mutter über <strong>di</strong>e Erziehung eines Kindes berichtet,<br />

wobei es um „sehr Weniges“ geht, aber »das Wenige sehr sehr gründlich<br />

ist.« (Hexenreden, S. 17)<br />

Während sich <strong>di</strong>e Ich-Erzählerin als „recht biedere, sozusagen homöopathische<br />

Hexe“ erklärt, warnt sie aber auch davor, dass <strong>di</strong>e Übertreibungen,<br />

<strong>di</strong>e Extremismen immer sehr gefährlich sein können, wie zum Beispiel<br />

der Fall einer exzessiven „Partisanenhexe von der wildesten Sorte“<br />

lehrt (Hexenreden, S. 19). Sie zeigt eine sinnlose Wut und mit einem mehr<br />

oder weniger gerechtfertigten Männerhass:<br />

»Sie hatte einen gewaltigen Verschleiß an Männern, und es machte<br />

sie nur immer wütender, daß sie keinen Liebhaber fand, der ihr<br />

halbwegs gewachsen war.« (Hexenreden, S. 20)<br />

Mit <strong>di</strong>esem Verhalten scheint sie aber <strong>di</strong>e Vorurteile sogar zu rechtfertigen,<br />

durch verschiedene „Zaubereien“. Mit der Ad-Absurdum-Führung<br />

der Ironie wird der Teufelskreis damit entlarvt, der tautologisch weitere<br />

Vorurteile und Diskriminierung entstehen lässt: Die einfachsten Zufälle<br />

werden allgemein und blödsinnig als hexenhafte Hexereien erklärt, so glau-<br />

14 Vgl. den Artikel über „Soziale Kontrolle“ im Band Metzler Philosophie Lexikon<br />

(1999), S. 552.

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