Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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266 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
In <strong>di</strong>eser Hinsicht würde ich sogar <strong>di</strong>e Gefahr erklären, der <strong>di</strong>e Rezeption<br />
eines Textes über „Frauenwahnsinn“ wie <strong>di</strong>e Erzählung von Marianne<br />
Fritz ausgesetzt ist:<br />
»[...] es wäre in der erdachten Umkehrung der Verhältnisse deren<br />
Festschreibung gewesen.« (Hexenreden, S. 22)<br />
Und Marlene Streeruwitz expliziert genau, worin <strong>di</strong>ese erschreckende<br />
(leider übliche) Festschreibung besteht:<br />
»Die Anerkennung der richterlichen Gewalt. Die Gegenwehr der<br />
Ohnmacht im Realen, <strong>di</strong>e ins Irreale ausweichen muß. Poetisierung<br />
einer Hierarchie – in <strong>di</strong>esem Fall von Literaturkritik –, in der <strong>di</strong>e, <strong>di</strong>e<br />
nie ein Können beweisen müssen, <strong>di</strong>e in Beweisnotstand bringen, <strong>di</strong>e<br />
ihr Können preisgeben.« (Hexenreden, S. 22)<br />
Wie <strong>di</strong>e Autorin bemerkt, werden phantasievolle, ideenreiche Menschen,<br />
<strong>di</strong>e zur Mo<strong>di</strong>fizierung der Realität entscheidend beitragen könnten,<br />
seit jeher gerade über den Körper bestraft und vernichtet:<br />
»Gerichtet wird immer über den Körper. Gedanken mit Folter beantwortet.<br />
Das Unerreichbare der Gedanken im Erreichbaren des<br />
Schmerzes niedergerungen.« (Hexenreden, S. 25)<br />
So wird das Thema des sich stän<strong>di</strong>g erneuernden Konfliktes zwischen<br />
dem hexischen Potential und der Hierarchie (jeder Hierarchie) in nuce entlarvt<br />
und auf seinen Grundgedanken zurückgeführt:<br />
»Es ist <strong>di</strong>e Frage von Sprache und Körper und wie <strong>di</strong>e Sprache dazu<br />
benutzt wird, den Körper in dessen Vernichtung zu überwinden.«<br />
(Hexenreden, S. 22)<br />
Und <strong>di</strong>ese Mechanismen der Verachtung und Vernichtung des Körperlichen,<br />
<strong>di</strong>e Unterschätzung der nicht-rationalen Sphäre der Emotio, der<br />
Phantasie, der Gefühle werden sprachlich formuliert, also mit Hilfe einer<br />
männlichen Sprache der Ordnung und der Vernunft:<br />
»Wehr und Gegenwehr haben <strong>di</strong>eser Ausrottung Sprachen geschaffen.<br />
Immer steht dem anarchisch in<strong>di</strong>viduellen Versuch <strong>di</strong>e Ordnung<br />
des apollinischen Diktats gegenüber.« (Hexenreden, S. 22)<br />
Im Bereich des Literarischen bedeutet der Vorrang des Apollinischen,<br />
der harmonischen Form, der kompakten Ordnung, der schön glatten und<br />
glänzenden Sätze etwas ganz Bestimmtes, <strong>di</strong>e Ausgrenzung über hierarchische<br />
Urteile (S. 26), <strong>di</strong>e Gefahr der (endgültigen) Erstarrung: