Studia austriaca - Università degli Studi di Milano
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102 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />
Liebe zu den Männern verschwinden und, von ihrem eigenen Wege<br />
abgedrängt, „unsichtbar werden“.« 90<br />
Aber Evelyn Schlag hat auch betont, dass sie keine feministischen Absichten<br />
verfolge:<br />
»Aber es handelt sich hier nicht um eine feministische Ehrenrettung.<br />
Ich will zeigen, daß Frauen schlichtweg mutiger sind, was ihre Lebensentwürfe<br />
angeht. Sie sind bereit, mehr zu riskieren. Sie lassen<br />
sich auf große Leidenschaften ein. Sie setzen alles aufs Spiel. Ich<br />
glaube, sie leben viel intensiver.« 91<br />
Übrigens hat <strong>di</strong>e Behandlung des Themas Frauen nichts zu tun mit der<br />
tra<strong>di</strong>tionellen Frauenliteratur, wie <strong>di</strong>e Autorin erklärt:<br />
»Mit dem Begriff „Frauenliteratur“ konnte ich noch nie etwas anfangen,<br />
weil er ganz einfach <strong>di</strong>skriminierend ist. Er ghettoisiert. Frauenliteratur<br />
als etwas, das für Frauen geschrieben wird und vorzugsweise<br />
natürlich von Frauen – das würde dann heißen, es kommt im Alphabet<br />
der special interests zwischen Ärzteromanen und Landserheften.<br />
Und vor allem: was wäre dann „Männerliteratur“? Noch schlimmer<br />
wird es, wenn man unter „Frauenliteratur“ <strong>di</strong>e anspruchsvolle, von<br />
Frauen geschriebene Literatur zusammenfaßt. Dann wird vollends<br />
klar, daß <strong>di</strong>ese Literatur weniger wert ist als <strong>di</strong>e von Männern geschriebene,<br />
denn den analogen Begriff „Männerliteratur“ gibt es ja<br />
nicht. [...] Die von Männern geschriebene Literatur wäre das Maß,<br />
das keiner Spezifizierung bedarf. Also lassen wir das lieber. Es gibt<br />
gute Literatur von Frauen, ebensolche von Männern. Und schlechte<br />
von beiden. Manche Autorinnen nehmen für sich <strong>di</strong>e Etikette „feministische<br />
Literatur“ in Anspruch. Für mich heißt das immer: Achtung!<br />
Ich halte Ideologien in der Literatur für nicht sehr glücklich.« 92<br />
Im Band Unsichtbare Frauen sind nicht Frauen gemeint, <strong>di</strong>e in den von<br />
Männern verfassten Biographien nicht vorkommen. »Das wäre das«, behauptet<br />
<strong>di</strong>e Schriftstellerin, »was ich mit feministischer Ehrenrettung umschrieben<br />
habe. Die Männer verschweigen <strong>di</strong>e Frauen in ihrem Leben,<br />
noch ehe jemand daran gehen kann, eine Biographie über <strong>di</strong>ese Männer zu<br />
90 So Karl-Markus Gauß in der Rezension „Von der Liebe und vom Verschwinden“.<br />
In: Neue Zürcher Zeitung, Zürich 30.Sep./1.Okt. 1995, S. 35. – Der Band Unsichtbare Frauen.<br />
Drei Erzählungen wird im Folgenden zitiert mit U.F. und Seitenzahl.<br />
91 So Evelyn Schlag. In: Christina Pumplun, „Gespräch mit Evelyn Schlag“, S. 172.<br />
92 So Evelyn Schlag. In: Christina Pumplun, „Gespräch mit Evelyn Schlag“, S. 170.