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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marianne Fritz: Der verdächtige Glanz der „glatten“ Sätze 183<br />

Albträume) das „unbefrie<strong>di</strong>gte“ Mutterrecht aus, „das Anrecht der Mutter<br />

auf ihren Kinderwunsch, auf ihre Beziehung zum Kind“. 59<br />

Gewöhnlich ist also <strong>di</strong>e hysterische Mutter entweder überbesorgt, d.h.<br />

unfähig, ihre Kinder freizugeben, oder sie wird ihre Kinder, besonders ihre<br />

Töchter! – zu einem narzisstischen Bild ihrer selbst machen:<br />

»[...] sie wird bis zur Verschmelzung der Identitäten mit ihren Kindern<br />

„eins werden“. Sie ist unmütterlich, indem sie übermütterlich<br />

ist.« 60<br />

Die Tat Bertas ist das tragische Ergebnis <strong>di</strong>eses Versuches, eine Verschmelzung<br />

der Identitäten zu erreichen, gegen <strong>di</strong>e Dynamik des Logos,<br />

gegen das Prinzip der sozial anerkannten Ordnung und der sozial durchgesetzten<br />

Vernunft.<br />

Nachdem sie aber Wilhelmine ihre Kette mit der Blechmadonna um<br />

den Hals gelegt hat, <strong>di</strong>e als letzte Selbsttäuschung gegen den Schrecken<br />

galt, weiß sie, dass sie nicht gewonnen hat:<br />

»[...] und sie wußte, daß sie <strong>di</strong>e Verliererin und das Leben mit seinen<br />

modellierenden Tatzen, <strong>di</strong>e Schwerkraft der Verhältnisse, der Sieger<br />

geblieben war.« (S.V., S. 107)<br />

Früher hatte sie, obwohl in einen „Käfig“ gesperrt, weiter danach getrachtet,<br />

sich einen Sinn zu erfinden (»eine höhere Wahrheit für den Käfig<br />

zu ersinnen«), jetzt ist sie für immer wie abgeschaltet, gleichgültig, endlich<br />

dazu bereit, auf jedes Gefühl des Körperlichen, auf jede Anregung des Sexualwesens<br />

und der Existenz selbst zu verzichten, und ihre Lust wird<br />

symbolisch durch das „langsame“ und „bedächtige“ Waschen am Morgen<br />

darauf gelöscht:<br />

»Am 14. Jänner 1963 wusch sich Berta Schrei den Mann, das Wort<br />

und ihre Verlorenheit aus dem Leben heraus. So <strong>di</strong>e Alte, <strong>di</strong>e sie dabei<br />

beobachtete.« (S.V., S. 108)<br />

Die Festung, von der Figur der Alten verkörpert, soll von da an <strong>di</strong>e<br />

Erziehungsarbeit erfüllen, <strong>di</strong>e Existenz Bertas „herauszuwaschen“ und<br />

ihre Seele für den Logos zurückgewinnen mit der Formel, <strong>di</strong>e „das weise<br />

Mütterchen“, Inbegriff der „guten Mütterlichkeit“, am Ende rezitiert:<br />

59 Ebenda.<br />

60 Christina von Braun (1994), S. 253.

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