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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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128 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Wahrscheinlich sind auch <strong>di</strong>ese Ehefrauen keine glücklichen Menschen,<br />

da sie nicht gelernt haben, das Leben allein zu meistern, und für ihre<br />

Passivität das Gebundensein des Mannes erfordern und erzwingen. Dabei<br />

geht aber auch ihre Würde als In<strong>di</strong>viduen verloren, und <strong>di</strong>e menschliche<br />

Würde besteht darin, Verantwortung für <strong>di</strong>e eigenen Handlungen zu<br />

übernehmen.<br />

Diese Grundsituation wiederholt sich in der dritten Erzählung des<br />

Bandes, Die lustwählende Schäferin, <strong>di</strong>e nicht mehr in einem zeitgenössischen<br />

Kontext spielt, sondern in der Barockzeit. Die Hauptfigur ist <strong>di</strong>e Dichterin<br />

Catharina Regina von Greiffenberg, <strong>di</strong>e im 17. Jahrhundert auf Schloss<br />

Seisenegg nahe Amstetten lebte, nicht weit von Evelyn Schlags Heimatort.<br />

Evelyn Schlag hat im Vortrag Der Nachklang allerfremdesten Lebens <strong>di</strong>e<br />

Entstehungsgeschichte <strong>di</strong>eses Textes rekonstruiert: sie forschte lange dank<br />

der Hilfe eines Experten, eines Greiffenbergforschers, der ihr <strong>di</strong>e unveröffentlichten<br />

Briefe Catharinas zur Verfügung stellte und sie in viele biographische<br />

Details einweihte.<br />

Da wurde Evelyn Schlag von der ungeheuerlichen Einsamkeit <strong>di</strong>eser<br />

Frauenfigur innerhalb ihrer Umgebung im Innersten getroffen:<br />

»Als protestantische Adelige war sie ihrer Umgebung verdächtig und<br />

der Gegenreformation ein Dorn im Auge. Ihre Be<strong>di</strong>ensteten bespitzelten<br />

sie, mit dem Kaiser, den sie zu bekehren können glaubte,<br />

führte sie einen jahrelangen Kampf.« 117<br />

Das Interesse für <strong>di</strong>ese von Catharina Regina verkörperte fremde schreibende<br />

Sensibilität entstand auch aufgrund ihrer unerklärlichen, fast – der üblichen<br />

Logik nach – „irrsinnigen“ Ausdauer in der Einsamkeit, wie Evelyn<br />

Schlag betonte. Die Faszination entsprang also aus der Entdeckung, dass<br />

<strong>di</strong>ese Frau allein den Mut fasste, so lange, so stolz, so selbstbewusst ihr<br />

Lebens- und Schreibprogramm auszuführen gegen alle Widerstände.<br />

»Vor allem <strong>di</strong>e Lektüre der Briefe an Sigmund von Birken brachte<br />

mich zur Überzeugung, daß es sich hier um eine fast völlig verdeckte<br />

Leidenschaft handelte, <strong>di</strong>e von den wenigen Treffen bei Besuchen in<br />

Nürnberg und den existentiell erwarteten Briefen lebte.« 118<br />

Aus der Lektüre der Briefe sowie der Geistlichen Lieder und der Sonette kristallisierten<br />

sich <strong>di</strong>e Lieblingszitate, <strong>di</strong>e in der textuellen Struktur der Er-<br />

117 Evelyn Schlag, Der Nachklang allerfremdesten Lebens (2000), o. S.<br />

118 Evelyn Schlag, ebenda.

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