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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Marlene Streeruwitz: Eine Poetik des Suchens 207<br />

samtstruktur zurückstrahlt. Ist da, wo wir einander im Suchen finden<br />

können.« 45<br />

Die Beschreibung der Lebenszusammenhänge, <strong>di</strong>e in den Texten von<br />

Marlene Streeruwitz erfolgt, hat sicher nichts mit einer Absicht der Poetisierung<br />

zu tun: sie <strong>di</strong>ent der Bestreitung, der Entlarvung, der Denunzierung,<br />

der Enthüllung von Situationen, <strong>di</strong>e besonders Frauen, im Allgemeinen<br />

aber den Menschen betreffen, obwohl <strong>di</strong>e komplexe Gesellschaft<br />

der Gegenwart sich nicht leicht, nicht eindeutig, nicht endgültig beschreiben<br />

lässt:<br />

»Was beschreibbar bleibt, ist das Leben als exemplarische Schnittstelle<br />

aller komplexen Strukturen, <strong>di</strong>e uns bilden, <strong>di</strong>e aber wiederum<br />

von uns mitkonstituiert werden. Und zwar jedes Leben so. Jeder Augenblick.<br />

Jedes Frühstück etwa. – Hier gibt es Wahrheiten aufzufinden.«<br />

46<br />

4.2. Die verweigerte Identifikation von Lisa Liebich. Oder: Keine Liebe zum<br />

Anderen ohne Liebe zum Selbst<br />

Als Paro<strong>di</strong>e des Kolportagenromans von den Rezensenten mal zelebriert,<br />

mal denunziert, stellt der zweite Roman (in drei Folgen) von Marlene<br />

Streeruwitz Lisa’s Liebe. das Drama der Frau dar, <strong>di</strong>e zwar selbststän<strong>di</strong>g<br />

erscheint (wohnt allein, reist allein, verfügt über selbsterworbenes<br />

Geld, hat einen Beruf und viele, zu viele Freizeit-Interessen), aber im<br />

Grunde an einer inneren Leere leidet, <strong>di</strong>e ihr keinen Zugang zur Sphäre<br />

der Affektivität erlaubt. Da ihr das soziale und familiäre Umfeld auch sehr<br />

wenig dabei hilft, oder besser: sich eher frauenfeindlich erweist, muss <strong>di</strong>e<br />

Hauptfigur des Romans sehr lange, sehr viel leiden, bevor sie versteht,<br />

dass sie auf keine äußere Hilfe hoffen kann und sich selbst bemühen muss,<br />

irgendwie einen Weg zum Selbst47 zu finden, um sich <strong>di</strong>e eigene Existenz<br />

zu rechtfertigen.<br />

Nach meiner Lektüre handelt es sich dabei um keine Paro<strong>di</strong>e: <strong>di</strong>e Ironie<br />

<strong>di</strong>ent vielmehr der Autorin dazu, auf Distanz zu gehen, Abstand zu gewinnen<br />

im Verhältnis zur Protagonistin und vielleicht zu sich selbst. Der Roman<br />

45 Marlene Streeruwitz, S. 55-56.<br />

46 Marlene Streeruwitz, Sein. Und Schein. Und Erscheinen., S. 60.<br />

47 Luce Irigaray, Ethik der sexuellen Differenz (1991), S. 117 ff. – Marlene Streeruwitz’<br />

Lisa’s Liebe. Roman in 3 Folgen erschien 1997. Im Folgenden wird der Text mit L. L. und<br />

Seitenzahl zitiert.

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