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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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Nachwort 265<br />

Aber als stolze und realitätsbewusste Frau weiß sie, dass es sich als ohnehin<br />

besser und sicher wirkungsvoller erweist, sich nicht zur Zielscheibe<br />

zu machen und auf <strong>di</strong>eselben Waffen der Kritiker und Kritikerinnen zu<br />

rekurrieren, damit sie (<strong>di</strong>e tra<strong>di</strong>tionell schreibenden und kommentierenden<br />

KritikerInnen) <strong>di</strong>e schreibende Frau nicht in <strong>di</strong>e Situation des zu Verurteilenden<br />

versetzen können.<br />

Gerade das ist der Kern der Frage: wie kann der (schreibende) Mensch<br />

mit den Instrumenten der weiblichen Sensibilität, der poetischen Sprache<br />

etwa, sich dem herrschenden Logos, der Macht der männlichen Sprache<br />

und des männlichen Blicks widersetzen?<br />

Denn es gibt nicht nur Kritiker, sondern auch (und wie viele) Kritikerinnen<br />

und Frauen wie Marianne Fritz’ Wilhelmine sind immer häufiger,<br />

Frauen <strong>di</strong>e männlich sprechen und denken und handeln, also hängt es nicht<br />

immer vom Geschlecht ab, wie der Mensch sich zum Leben und zu den<br />

Mitlebenden einstellt, sondern von der psychischen Konstitution, von den<br />

Eigenschaften, <strong>di</strong>e man/frau uns in der Psyche durch <strong>di</strong>e Erziehung von<br />

Kindheit an verankert hat, von den soziokulturellen Mitteln und nicht zuletzt<br />

von den Zielen, <strong>di</strong>e sich man/frau existentiell setzt, letztendlich von<br />

der Sinnfrage, zum Beispiel wie er/sie Ziele schneller und bequemer erreichen<br />

kann, den sensus communis bestätigend oder bestreitend.<br />

Es gibt viele Wilhelminen, <strong>di</strong>e unbeirrbar an eine einzige Wahrheit<br />

glauben und keine Einwendungen tolerieren, in allen Sozialschichten und<br />

auch unter den „Gebildeten“.<br />

Was <strong>di</strong>e Wissenschaft selbst betrifft, ist genau untersucht worden, wie,<br />

durch welche Strategie, in welchem Maß „Männlichkeit“ Standpunkte<br />

parteilich und beschränkt <strong>di</strong>ktiert, und wie es für alle Menschen, Frauen und<br />

Männer, notwen<strong>di</strong>g ist zu vermeiden, dass <strong>di</strong>e Gesellschaft neue Blicke<br />

oberflächlich als „naiv“ bewertet, dass neue Einblicke, zum Beispiel emotionell-intuitive<br />

Vorgänge von einer „männlichen Perspektive“ aus in einer<br />

mehr oder weniger frauenfeindlichen Wissenschaftspraxis abgewertet werden.<br />

15<br />

15 Vgl. dazu Doris Wölke in Der männliche Blick in der Literaturwissenschaft: »Auf dem<br />

Hintergrund einer (nicht nur) kulturellen Vorherrschaft der Männer heißt das, daß <strong>di</strong>ese<br />

(Vorherrschaft) unbefragt in <strong>di</strong>e literaturwissenschaftliche Arbeit einfließt, von ihr fortgeschrieben<br />

wird. Wird Geschlecht erwähnt, so ist es meist ‚das andere Geschlecht‘, sind<br />

Frauen das ‚Abweichende‘, was <strong>di</strong>skriminierend ausgegrenzt wird – erstes In<strong>di</strong>z für <strong>di</strong>e Verabsolutierung<br />

des ‚Männlichen‘ zum ‚Menschlichen‘, zum ‚Allgemeinen‘, zur ‚Norm‘.«<br />

Doris Wölke, Der männliche Blick in der Literaturwissenschaft. Rolle und Bedeutung der männlichen<br />

Perspektive für literaturwissenschaftliche Arbeiten, Essen: Die Blaue Eule, 1990, S. 12.

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