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Studia austriaca - Università degli Studi di Milano

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126 Das Leben in den Worten ~ <strong>di</strong>e Worte im Leben<br />

Grunde ist das ja auch ein Thema der Erzählungen), indem sie sich<br />

also nicht abbringen lassen und unbeirrbar sind, [...] sie halten an<br />

etwas fest, das es nicht gibt – das ist ihre paradoxe Kraft, aber<br />

natürlich auch <strong>di</strong>e Quelle, aus der sich ihre Verzweiflung nährt. Und<br />

vor allem Gudrun ist eine Selbstmordkan<strong>di</strong>datin, sie erzählt <strong>di</strong>e<br />

mögliche zukünftige Geschichte ihres Selbstmords in der Geschichte<br />

ihrer Freun<strong>di</strong>n – unbewußt als Warnung an den Mann, wie ernst sie<br />

<strong>di</strong>ese Liebe nehmen wird, als Erinnerung an sich selbst, wozu sie<br />

fähig ist, und vielleicht aus noch weiteren Gründen. Für <strong>di</strong>e Frauen<br />

ist <strong>di</strong>e Liebe immer etwas Todernstes, das unterscheidet sie von den<br />

Männern. Ohne <strong>di</strong>ese Ernsthaftigkeit wollen sie aber nicht lieben,<br />

das ist für mich ihre bewundernswerte, wenn auch gegen sich selbst<br />

gerichtete, Ehrlichkeit.« 116<br />

Das Thema des falschen Lebens, des falschen Partners, der Illusionen<br />

trotz des Realitätsprinzips, wird im Erzählband Unsichtbare Frauen mit Sensibilität<br />

und Intelligenz, mit einer Spur Ironie und viel Weisheit behandelt.<br />

Die Tragö<strong>di</strong>e der Männerfiguren besteht darin, dem Sein und nicht dem<br />

Werden den Vorrang zu geben: sie entscheiden sich für <strong>di</strong>e Erstarrung, für<br />

<strong>di</strong>e Wiederholung, für <strong>di</strong>e Norm, letztendlich für den Tod, während <strong>di</strong>e<br />

Frauenfiguren den Reiz der Abweichung spüren können und <strong>di</strong>e unerhörte<br />

Kraft des Lebens beweisen, indem sie sich selbst unbeirrbar Träume und<br />

Wünsche gestehen wollen.<br />

So erklärt ein Mann, der Wissenschaftler Widmer, das Verhalten des<br />

Schriftstellers HR (in der Erzählung Alzesheimer):<br />

» ›[...] Jedenfalls ist meine These, daß HR Angst hatte, Nora könnte<br />

einen Suizidversuch machen, wenn er sie betrügt. Die meisten Ehen<br />

sind ein kompliziertes System von Stillhalteabkommen, liebe Linda.<br />

HR hatte Angst vor Nora.[...]‹ « (U.F., S. 99)<br />

Als junge Frau wundert sich Linda über <strong>di</strong>e Passivität, <strong>di</strong>e Feigheit <strong>di</strong>eses<br />

Mannes:<br />

» ›Warum ist er dann aber bei ihr geblieben, wenn alles so furchtbar<br />

war? So, wie Sie Nora beschreiben, muß sie ihn überall behindert<br />

haben.‹ « (U.F., S. 99)<br />

116 So Evelyn Schlag im Rahmen des unveröffentlichten, per Fax geführten Gesprächs,<br />

28.11.1998. Diese Aussage wurde schon in einem Aufsatz zitiert, und zwar in<br />

„La vita nelle parole: figure femminili e riflessione poetologica nei racconti <strong>di</strong> Evelyn<br />

Schlag“. In: Prospero. Rivista <strong>di</strong> culture anglo-germaniche, Trieste: E<strong>di</strong>zioni <strong>Università</strong> <strong>di</strong> Trieste,<br />

2000, Nr. VII, S. 107-121.

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